„Jetzt geht’s ums Eingemachte“

Markt / 26.03.2018 • 22:26 Uhr
Die Geschäftsführer Robert Baljak (l.) und Stefan Koch in der Integra-Holzwerkstatt in Wolfurt.VN/Paulitsch
Die Geschäftsführer Robert Baljak (l.) und Stefan Koch in der Integra-Holzwerkstatt in Wolfurt.VN/Paulitsch

Integra warnt vor Einsparungen bei Langzeitarbeitslosen und Flüchtlingen.

Wolfur Die Budgetrede des Finanzministers haben die Integra-Geschäftsführer Stefan Koch und Robert Baljak aufmerksam verfolgt. Schließlich steht für sie viel auf dem Spiel. Denn das soziale Unternehmen schafft an seinen Standorten Qualifizierung und Beschäftigung für 650 langzeitarbeitslose Menschen und Flüchtlinge und hat 107 Mitarbeiter angestellt.

Fest steht, die Regierung will im Integrationsbereich sowie bei AMS-Projekten sparen. Wo genau, ist noch unklar. Heute Dienstag tagt der AMS-Verwaltungsrat in Wien. Danach soll feststehen, wo es Einschnitte gibt. Die Unsicherheit bei Integra ist hoch. „Wir haben Verträge, zahlen Mieten, sind in Wertschöpfungsketten eingebunden“, verdeutlicht Stefan Koch im VN-Gespräch. Für Integra geht es ums Eingemachte. Heißt, um ihren Auftrag, um Existenzfragen. Werde massiv gespart, könne das zur Schließung von Standorten führen, sagt Koch. Zuallererst würde das die Poststellen betreffen, weil hier viel mit eigenem Personal abgedeckt werde. Zudem würde es bedeuten, Nischendienstleistungen wie Haushaltshilfe oder Fahrradservice auf den Prüfstand zu stellen.

Integra wehrt sich nicht prinzipiell gegen Einsparungen. Gäbe es weniger Bürokratie, wären Straffungen möglich. „Wir sind bereit zur Diskussion“, sagt Koch. Bereits jetzt wird der Umsatz von 13 Millionen Euro zur Hälfte durch Förderungen abgedeckt und zur Hälfte selbst erwirtschaftet. Und das Ziel sei, sich noch unabhängiger von Förderungen zu machen.

Dass es trotz guter Konjunktur einen zweiten Arbeitsmarkt braucht, zeige aber der Blick auf die Arbeitslosenstatistik. 12.245 Menschen in Vorarlberg sind arbeitslos. Ein Viertel davon gilt als langzeitarbeitslos. Oft sind das Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen oder geringer Qualifizierung, die nicht am ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können.

Kostenverlagerung

Beim zweiten Arbeitsmarkt einzusparen, sei deshalb am falschen Ort gespart. Vielmehr seien es Kostenverlagerungen. Denn eine arbeitslose Person koste den Staat im Jahr 29.742 Euro. Darin enthalten sind Transferleistungen durch das AMS sowie entgangene Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. „Diese Summe fällt ohnehin an. Es ist aber sinnvoller, Arbeit zu finanzieren, statt Arbeitslosigkeit zu verwalten“, betont Koch. Sonst würden diese Menschen übrig bleiben, ohne Perspektive. „Sich um sie zu kümmern, gehört in jede moderne Gesellschaft.“ Leider sei im Regierungsprogramm vom zweiten Arbeitsmarkt keine Rede. 

Wieso eine Sozialfirma sinnvoll ist? „Man kümmert sich um Menschen, die (teil-)arbeitsfähig, aber nicht vermittelbar sind. Sie arbeiten in Beschäftigungsprojekten in sozialökologischen Nischen und agieren als Outsourcingpartner für die Wirtschaft. Zudem sind die Förderkosten nicht höher als der Aufwand für die Arbeitslosigkeit“, so Koch. 

Weiterer Grund zur Sorge: Integra kümmert sich auch um eine Gruppe, die ebenfalls den Sparstift zu spüren bekommen könnte – junge Flüchtlinge. Im Jugendcollege werden sie auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Und das ist eine intensive Aufgabe. „Die Herausforderungen sind nicht nur Sprache oder Ausbildung, sondern auch kulturelle Unterschiede und teilweise unrealisitische Erwartungen“, erklärt Robert Baljak. Dieser Bereich wurde seit 2014 aufgebaut. „Wir wissen deshalb, an welchen Schrauben wir drehen müssen. Hier zu sparen, würde sehr wehtun.“

Konkret hat Integra 140 junge Flüchtlinge mit einem Durchschnittsalter von 26 und sechs Jahren Schulbildung in Betreuung. Deren Motivation sei riesengroß, die Drop-out-Quote mit zehn Prozent gering. Die Hälfte ist dabei, den Pflichtschulabschluss nachzuholen, 30 Prozent gehen in Richtung Arbeit bzw. Lehre. Schließlich würden Fachkräfte dringend gesucht. Für Baljak ist die Arbeitserfahrung der wichtigste Erfolgsfaktor. „Man will ja keine beschäftigungsfähigen Mindestsicherungsbezieher. Also eine Bevölkerungsschicht, die vom Staat abhängig ist.“ Dass diese Jugendlichen da seien, sei nicht wegzudiskutieren. „Und sie bleiben da. Das Belassen dieser großen Erwerbsgruppe auf dem Niveau einer Hilfskraft ist da nicht zu empfehlen“, sagt Baljak. Dass die jungen Flüchtlinge als Lehrlinge begehrt sind, sei ebenfalls nicht wegzudiskutieren. „Viele namhafte Firmen stehen bei uns Schlange.“

„Keine Hängematte“

Insgesamt – das ist Koch und Baljak wichtig zu betonen – sei Integra kein Ort zum Ausruhen, sondern einer, wo man gefördert und gefordert wird. „Hängematten gibt es bei uns nicht und auch keine Kuschelpädagogik, auch wenn viele mehr Betreuung benötigen. Wir sind wirtschaftsnah und marktorientiert.“ Die Arbeitsteilung zwischen Wirtschaft und dem sozialen Unternehmen funktioniere dabei sehr gut. 90 Prozent der Aufträge wickelt Integra im b2b-Bereich ab.

„Wir beschäftigen 107 Mitarbeiter und haben 650 Teilnehmer in unseren Projekten.“

Integra Vorarlberg

Mitarbeiter 107

Teilnehmer 650 (40 % Jugendliche, 25 % Höherqualifizierte, 35 % in Arbeitsprojekten)

Umsatz 2017 13 Millionen Euro