75 Jahre nach Jalta
Im Februar 1945 verhandelten der britische Premier Churchill, US-Präsident Roosevelt und „Generalissimus“ Stalin in Jalta auf der Halbinsel Krim über die Zukunft Europas. Seit der Eröffnung einer zweiten Front in der Normandie im Juni 1944 war die Niederlage Hitler-Deutschlands absehbar. Nun ging es den „Großen Drei“ um die Aufteilung Deutschlands und den Umgang mit den von Deutschland besetzten Gebieten. Dabei wurde schnell deutlich, dass die Alliierten für die Zeit nach dem Krieg durchaus unterschiedliche Ziele verfolgten. Stalins zentrales Interesse war die Schaffung eines sowjetischen Einflussbereichs in Osteuropa. Roosevelt hingegen ging davon aus, dass der Krieg gegen Japan noch längere Zeit weitergehen würde, weshalb er dort die Sowjetunion als Verbündeten gewinnen wollte und zu Konzessionen in Europa bereit war.
Die im „Protokoll der Krimkonferenz“ festgehaltenen Vereinbarungen waren in vielen Punkten vage. Zwar einigte man sich über die Charta der Vereinten Nationen. Doch die unterschiedlichen Interessen der „noch“ Verbündeten in anderen Fragen deuteten bereits die kommenden Schwierigkeiten an, die schließlich in den Kalten Krieg mündeten. Als Ergebnis wurde nicht nur Deutschland, sondern der gesamte Kontinent geteilt und stand sich jahrzehntelang hochgerüstet gegenüber.
Dennoch erlebte der westliche Teil unseres Kontinents inzwischen 75 Jahre Frieden sowie Wohlstand und soziale Wohlfahrt in ungeahntem Ausmaß. Möglich wurde dies nicht ausschließlich, aber zu einem großen Teil durch den Schutzschirm, die die USA über ihre europäischen Verbündeten ausbreiteten. Das Faustrecht, das über lange Zeit das Schicksal Europas bestimmt hatte, wich der von den USA und der Sowjetunion dominierten bipolaren Ordnung.
Als auch diese mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 zu Ende ging, waren die Erwartungen groß; manche sprachen gar vom „Ende der Geschichte“. Für Österreich bedeutete das Ende der Teilung Europas vor allem die zuvor von der Sowjetunion verwehrte Möglichkeit, nun an der europäischen Integration teilnehmen und aus der Ostöffnung großen Nutzen ziehen zu können. Dass es dabei ebenso wie der Rest Europas nach wie vor auf den Schutzschirm der USA angewiesen war (und immer noch ist), wurde nur selten thematisiert. Nun aber droht „America first“ die westliche Allianz zu zerbrechen und auf internationaler Ebene wieder das Faustrecht einzuziehen. Um so wichtiger sind die Lehren aus Jalta, den europäischen Zusammenhalt zu stärken und nicht in trotziger Eigenbrötlerei nur den eigenen Vorteil zu suchen.
„Als Ergebnis wurde nicht nur Deutschland, sondern der gesamte Kontinent geteilt.“
Hannes Androsch
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Dr. Hannes Androsch ist Finanzminister i. R. und Unternehmer.