So viel verlieren Österreichs Handel und Gastronomie täglich

Aktuell werden etwa rund 73 Prozent aller Verkaufsflächen in Österreich nicht genutzt. Täglich gehen so Millionen verloren.
Wien Bereits zum Beginn der Krise rang Handels-Spartenobfrau Theresia Fröwis um Worte: “Für den kleinstrukturierten Handel in Vorarlberg ist das Zusperren der Geschäfte eine Katastrophe”, stellte sie fest. Für den Handel kam die Schließung zum Beginn der Frühjahrssaison zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. “Jetzt sind alle Lager komplett voll, weil die Frühjahrs-/Sommersaison beginnt.” Sie rechnete mit Konkursen und hohen Verlusten, “das ist eine trostlose Situation.”
Der Standortberater RegioPlan hat sich die Auswirkungen der Schließungen im Einzelhandel sowie der Gastronomie wegen der Coronapandemie genauer angeschaut. Der stationäre Einzelhandel verliere 140 Millionen, die Gastronomie rund 63 Millionen Euro täglich, beides inklusive Tourismus.
So stehen von aktuell 14,2 Millionen Quadratmetern Verkaufsfläche in Österreich demnach etwa 10,3 still, weil sie nicht betreten werden dürfen. Die 130 Millionen Euro brutto ermittelte die Consultingfirma ausgehend von den Konsumausgaben privater Haushalte von rund 73 Milliarden brutto jährlich. Dies ergebe 167 Millionen Euro täglich (allerdings inklusive Online-Verkäufen). Wenn man davon den “normalen” branchenspezifischen Onlineanteil von etwa 37 Millionen abzieht, verbleibt ein stationärer Umsatzentgang von täglich 130 Millionen Euro brutto. Hinzu kommen Umsatzrückgänge durch den völlig ausbleibenden Tourismus in Höhe von 9,5 Millionen Euro täglich für den Handel.
Gastronomie bußt ebenfalls stark ein
In der Gastronomie gibt es ein ähnliches Bild. Schon ohne Tourismus werden in Österreich 11,7 Milliarden brutto für das Essen außer Haus ausgegeben. Der größte Teil davon in der klassischen und Systemgastronomie. Aktuell sind praktisch alle öffentlich zugänglichen Gastro-Betriebe geschlossen. Abzüglich der Fertigprodukte, die der Handel anbietet und Zustellung/Catering, entsteht somit im Gastronomiesektor ein Umsatzverlust von etwa 25 Millionen Euro pro Tag durch die Wohnbevölkerung.
Hier macht der faktisch aktuell nicht existente Tourismus sogar die höhere Zahl aus. Die Umsätze der Gäste in Österreich betragen an einem “normalen” Tag im März, errechnet aus den spezifischen Ausgaben und der Anzahl der Nächtigungen, täglich etwa 38 Millionen Euro, dies allerdings mit regional und lokal stark unterschiedlichen Werten. Gesamt verliert die Gastronomie aktuell also rund 63 Millionen Euro pro Tag.
Nicht jede Branche leidet gleich stark
Beim Blick auf einen längeren Zeitraum schneidet der Einzelhandel aufgrund des Angebots unterschiedlich ab: Die derzeitigen Verluste im stationären Einzelhandel bedeuten nämlich nicht, dass der gesamte entgangene Umsatz für immer verloren ist. Es kann aufgrund von Analogien aus anderen Fällen angenommen werden, dass in dieser Situation etwa ein Drittel der Ausgaben der Wohnbevölkerung, also etwa 40 Millionen Euro täglich, nur aufgeschoben und nach der Normalisierung wieder nachgeholt wird. Bei der Gastronomie ist das aber nicht der Fall, da ist praktisch der gesamte 63-Millionen-Umsatz pro Tag verloren.
In einigen Branchen (etwa Gartencenter, Baumärkte, Bekleidungshandel, Schuhhandel) hängt der tatsächliche Umsatz-Entgang aber noch mehr als in den anderen Branchen von der Dauer der Schließung ab: Jungpflanzen, Setzlinge und Gartenmöbel können später kaum noch verkauft werden, ebenso die Frühjahrsmode im Sommer nur mehr zu sehr reduzierten Preisen.
Als sicher gilt, dass die diesjährige Tourismus-Sommersaison besonders schwach ausfallen wird. Eine Abschätzung des längerfristigen Umsatzentgangs könne aber derzeit nicht seriös erfolgen, denn sie hängt maßgeblich vom Fortgang der Pandemie und der Reisebeschränkungen ab.
Internet profitiert
Wenig überraschend ist derzeit eine Verschiebung der stationären Umsätze in Richtung Internet zu beobachten. Abgesehen vom Lebensmittelhandel und Drogeriehandel war vor allem an den ersten “Hamsterkauftagen” ein starker Anstieg der Onlinebestellungen zu beobachten, derzeit liegen die Bestellungen nach Auskunft einiger (weniger) Marktteilnehmer in Summe um etwa 25 bis 30 Prozent höher als normal.
Dieser Effekt wird sich nach Beendigung der Maßnahmen der Bundesregierung wieder legen, aber trotzdem dem Onlineeinkauf langfristig einen Boost geben, denn derzeit “üben” den Onlineeinkauf Zielgruppen aus, die es vorher nicht getan haben.
Zu beachten ist auch, so RegioPlan, dass diese Onlineumsätze zu knapp 70 Prozent Online-Pure-Playern zu Gute kommen und diese sitzen meistens im Ausland oder haben ihre Unternehmenszentrale im Ausland. Eine bloße Verschiebung der Umsätze der in Österreich tätigen stationären Händler in ihren eigenen Onlineshop gelingt somit nur sehr wenigen Unternehmen. Allerdings wird dem in vielen Branchen mit vielen neuen Online-Portalen derzeit kräftig entgegengesteuert.
Die scheinbaren Profiteure sind derzeit der Lebensmittel- und der Drogeriehandel, die sich über Umsatzzuwächse freuen können. Allerdings ist dieser Mehrumsatz nur temporär und teilweise auch teuer erkauft: höhere Personal- und Logistikkosten, Schutzmaßnahmen, teurere Warenbeschaffung, etc. Was allerdings zu erwarten ist, ist, dass sich der derzeit nur bei knapp zwei Prozent befindliche Onlineanteil im Lebensmittel- und Drogeriehandel, bedingt durch die derzeitige Situation, auch langfristig erhöhen wird.
Konsumenten lernen derzeit, dass die Hauszustellung von Lebensmittel und Ähliches auch seine Vorteile hat. Ob dies den Lebensmittelhandel sehr freue sei dahingestellt, mutmaßt RegioPlan. Denn viel Profit könne man mit der Lieferung von Lebensmittel nicht machen. APA