Wirtschaftsanwalt stellt klar: “Nebentätigkeiten sind unvereinbar”

Markt / 17.08.2023 • 18:30 Uhr
Dr. Wilhelm Klagian gilt als einer der versiertesten Wirtschaftsanwälte Vorarlbergs. Der Jurist ist Geschäftsführer und Teilhaber von S/K/B/G/L-Rechtsanwälte und u. a. Aufsichtsratsvorsitzender der Prisma Holding und der Vorarlberger Landesversicherung. <span class="copyright">VN/Steurer</span>
Dr. Wilhelm Klagian gilt als einer der versiertesten Wirtschaftsanwälte Vorarlbergs. Der Jurist ist Geschäftsführer und Teilhaber von S/K/B/G/L-Rechtsanwälte und u. a. Aufsichtsratsvorsitzender der Prisma Holding und der Vorarlberger Landesversicherung. VN/Steurer

Schwerer Betrug, Untreue und Geschenkannahme: Das sind die Tatbestände in der Causa Siemens.

Dornbirn 363 Compliance-Fälle wurden im vergangenen Jahr beim Siemens-Konzern intern gemeldet. Auch der Fall, der derzeit in Vorarlberg für Verhaftungen, Entlassungen, Vermutungen und politische Schuldzuweisungen sorgt, wurde intern von einem Whistleblower gemeldet. Der Technologiegigant Siemens, der weltweit rund 311.000 Mitarbeiter beschäftigt, ist ein gebranntes Kind. Wiederholte Korruptionsaffären in Milliardenhöhe setzten dem Konzern zu – nicht nur finanziell, auch der Ruf litt, bei Aussschreibungen in betroffenen Ländern war die frühere Schmiergeldpraxis auch nicht wirklich förderlich. Dass Siemens in Sachen Korruption vom Saulus zum Paulus geworden ist, war und ist für Siemens als Global Player also existenziell. Doch wo beginnt Korruption, wo Compliance, was ist noch erlaubt?

<p class="caption">Im Brennpunkt der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft ist die Krankenhausbetriebsgesellschaft mit Sitz in Feldkirch. <span class="copyright">VN/Mayer</span></p>

Im Brennpunkt der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft ist die Krankenhausbetriebsgesellschaft mit Sitz in Feldkirch. VN/Mayer

Die VN sprachen mit dem Dornbirner Wirtschaftsanwalt Wilhelm Klagian, der nicht nur einige der größten Unternehmen des Landes vertritt und berät, sondern selbst in verschiedenen Aufsichtsräten sitzt. Vorweg: Wirtschaftskriminalität – und darum handelt es sich in der aktuellen Causa Siemens – ist in Vorarlberg nicht höher als anderswo. „Wenn, dann eher im Kleinen. Es gibt eine Abgabenkriminalität“, anders gesagt: Es wird schwarz gearbeitet, dem Staat die Steuer vorenthalten, und der Unterschied zwischen Compliance und Korruption sei nicht genau festzulegen. Klagian verweist auf das Handbuch der Geldwäsche-Compliance von Gerhard Dannecker und Roman Leitner für die rechts- und steuerberatenden Berufe.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Compliance sei, so heißt es in dem Handbuch, ein „Konglomerat von Pflichten im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit zur Beherrschung von Gefahren, die durch den Betrieb eines Unternehmens geschaffen wurden, einschließlich aller Vorschriften und Maßnahmen, die die Erfüllung dieser Pflichten absichern sollen. Umfasst sind zunächst die Vorgaben des allgemein geltenden Rechts und des Gesetzes, darüber hinaus aber auch unternehmensinterne Regelwerke, die im Unternehmen zwingend oder aufgrund einer freiwilligen Verpflichtung vorgesehen sind.“ Compliance sei daher mehr als die Einhaltung aller geltenden Rechtsvorschriften, so Klagian.

Bei der aktuellen Siemens-Causa gehe es um klassische Vermögensdelikte, so der Wirtschaftsanwalt, im Wesentlichen schwerer Betrug (§§ 146ff), Untreue (§ 153 StGB) und allenfalls Geschenkannahme durch Machthaber (§ 153a StGB), klärt der Anwalt auf. „Im vorliegenden Fall dürfte es weniger um Bestimmungs- (Anstiftung) oder Beitragstäter (sonstiger Tatbeitrag) gehen als vielmehr um Mittäter, also Mitarbeiter von Siemens und des betroffenen geschädigten Unternehmens täuschten gemeinsam den Rechnungsempfänger (das geschädigte Unternehmen, z.B. die KHBG), wodurch dieses zur Zahlung veranlasst und am Vermögen geschädigt wurde, dies zu deren Vorteil.“

Auch in Bregenz kontrolliert und überprüft man die Baukosten.  <span class="copyright">FA/SB</span>
Auch in Bregenz kontrolliert und überprüft man die Baukosten. FA/SB

Wolle man daraus für künftige Geschäftsbeziehungen und Aufträge Lehren ziehen, dann sind „die Abläufe im Vieraugenprinzip zu gestalten und Doppelfunktionen, also Nebentätigkeiten der Beteiligten auszuschalten“.

Bei öffentlichen Auftraggebern ist die Sache klar – die Vorgänge müssen aufgeklärt werden. Bei Unternehmen, die geschädigt wurden – und das sollen neben Hirschmann Automotive einige weitere sein, ist das anders. „Niemand ist verpflichtet seine eigene Schädigung bekannt zu machen, es besteht auch keine Anzeigepflicht für Private. Insofern kann sich jeder Geschädigte direkt mit dem Schädiger einigen ohne dass dies öffentlich zu machen wäre“, erklärt Wilhelm Klagian.

Ein Unding und auch rechtlich nicht vertretbar ist für den Anwalt, dass Angestellte eines öffentlichen Unternehmens, wie es die Krankenhausbetriebsgesellschaft ist, eigene Firmen führen. „Eine Nebentätigkeit im Unternehmensgegenstand der Tätigkeit als Angestellter, etwa als hauptverantwortlicher Mitarbeiter einer Bauabteilung und Nebentätigkeit als Ingenieurkonsulent, Bauleitung, Projektmanagement etc. sind mit Sicherheit unvereinbar“, so der versierte Anwalt.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Dass der ehemalige SPÖ-Stadtrat und Geschäftsführer der Alpenländischen Heimstätte – gemeinnützige Wohnungsbau- u. SiedlungsgesmbH, Wilhelm Muzyczyn, von Siemens ein Handy geschenkt bekommen habe, müsse das Unternehmen anhand der Compliance-Regeln klären, „strafrechtlich ist das irrelevant“, stellt Klagian klar. Wie weit Vorarlberger Unternehmen eigene Compliance-Regeln formuliert haben, könne er nicht beurteilen. „In den Unternehmen, in welchen ich im Aufsichtsrat bin, gibt es sie auf jeden Fall“, so der Anwalt.

Die Paragraphen

§§ 146ff Wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

§ 153 StGB (1) Wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen.

(3) Wer durch die Tat einen 5 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 300 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

§ 153 StGBa Wer für die Ausübung der ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil angenommen hat und pflichtwidrig nicht abführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.