“Straße würde direkt durch unseren Garten führen”

Matthias Österle (36) wohnt direkt an der Bahntrasse. Ein oberirdischer Bahnausbau bedroht das Wohnidyll der Familie.
Lauterach Die Wogen gehen sei Monaten hoch. Im Gezerre um eine gemeinsame Position zwischen Land und Gemeinden zum zukünftigen Bahnausbau im Unteren Rheintal drohten die Anrainer auf der Strecke zu bleiben. Vor zwei Wochen dann die überraschende Wende. In einer gemeinsamen Erklärung haben sich die politisch Verantwortlichen auf eine Unterflurlösung als gemeinsames Ziel verständigt. Tausenden Bewohnern an der Bahnstrecke zwischen Wolfurt und Hörbranz dürfte damit ein Stein vom Herzen gefallen sein.

Matthias Österle ist einer von ihnen. Vor drei Jahren haben sich der 36-Jährige und seine junge Familie ihren Wohntraum erfüllt. Ein schickes Einfamilienhaus steht dort, wo die Österles seit Generationen ihr Zuhause haben. “Ich bin an der Bahnstrecke aufgewachsen, fahre selbst regelmäßig mit dem Zug”, macht er gleich zu Beginn klar. Er sei kein Gegner des öffentlichen Nahverkehrs, das Gegenteil sei der Fall. Zwölf Meter steht das Haus von den Gleisen entfernt. Lärmschutzwände tun ihren Dienst. “Wir genießen es hier”, so der Lauteracher, der allerdings auch auf einen stark zunehmenden Bahnverkehr verweist. Bliebe alles, wie es ist, könnten dennoch alle gut leben, sagt Österle. Nur daran glaubt keiner.

An der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene führt kein Weg vorbei. Die Attraktivität der Bahn nimmt insgesamt zu. Das sieht auch Matthias Österle, der sich als parteifreier Gemeindevertreter in Lauterach engagiert, so. Die Kapazitätsgrenzen sind bald erreicht, ein Bahnausbau deshalb unumgänglich. Eine von ÖBB und Land Vorarlberg in Auftrag gegebene Studie im Vorjahr sah ein zweites oberirdisches Gleis zwischen Bregenz und Lochau sowie ein drittes Gleis zwischen Lauterach und Bregenz-Vorkloster noch als beste Lösung vor. Anrainer wie Matthias Österle sehen das freilich anders.

Für die junge Familie und ihr Wohnidyll hätte eine oberirdische Gleisverlegung gravierende Folgen. Weil Zufahrtswege zu anderen Häusern verloren gingen, müsste der Anrainerverkehr umgeleitet werden. “Die Straße würde dann direkt durch unseren Garten führen”, will sich der Gemeindebedienstete gar nicht ausmalen, was in so einem Fall passieren würde. “Das hätte dann wohl eine Enteignung des Bodens zur Folge.” Auch der Verkehrslärm würde deutlich zunehmen. Vor allem der Güterverkehr sei schon jetzt gut wahrnehmbar.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Wie Matthias Österle setzen viele Anrainer entlang der Bahntrasse auf eine Unterflurlösung. Dafür hatten sich zuletzt auch 17 Bürgermeister der Regio Bodensee stark gemacht und schließlich Teile der Landesregierung zum Einlenken bewegt. Man dürfe jetzt nicht nur auf die Kosten achten, sondern die raumplanerischen Chancen im Auge haben. “Die Bahn reißt eine Schneise durch Lauterach. Der Ort könnte wieder zusammenwachsen”, sagt Österle. Zudem könnte andernorts ein freier Seezugang geschaffen werden.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Die Jahrhundertchance habe sich jedenfalls eine faire Chance verdient, befindet der Anrainer und nimmt Studien ins Visier, deren Ergebnis vermutlich schon im Vorfeld klar waren. Kosten und Nutzen müssten objektiv und transparent abgebildet werden. Hier gehe es nicht nur um die Lebensqualität von ein paar wenigen, sondern auch von zukünftigen Generationen, so der zweifache Familienvater.