Vorarlberger Waren stecken im Stau: Das kann teuer werden

Markt / 25.01.2024 • 18:05 Uhr
95 Prozent des Containerversands aus Vorarlberg in die Seehäfen läuft über die Schiene. Deshalb ist Vorarlbergs Wirtschaft vom Streik stark betroffen. <span class="copyright">FA</span>
95 Prozent des Containerversands aus Vorarlberg in die Seehäfen läuft über die Schiene. Deshalb ist Vorarlbergs Wirtschaft vom Streik stark betroffen. FA

Durch den Streik der deutschen Lokführer verschärft sich nach der Gefahrenlage im Roten Meer der Engpass der Lieferketten.

Lauterach Politisch ist klar, was das Verkehrsministerium in Österreich will, auch im Land hält der zuständige Landesrat mit seinen Plänen nicht hinterm Berg: Güter auf die Bahn ist die Devise, die ihre Berechtigung hat. Doch wie das klaglos funktionieren soll, ist weder von den politischen Protagonisten noch den wirtschaftlichen Nutznießern zu Ende gedacht. Denn zumindest die Bahnbetreiber, die im Eigentum des Staates sind, sorgen dafür, dass weder Passagiere noch Unternehmen mit einer funktionierenden Infrastruktur rechnen können.

Huthis (in den kleinen Booten) kapern als Unterstützung für die Palästinenser im Gazastreifen internationale Frachtschiffe. Ein Zeit- und Kostenfaktor für die Transportwirtschaft. <span class="copyright">AFP</span>
Huthis (in den kleinen Booten) kapern als Unterstützung für die Palästinenser im Gazastreifen internationale Frachtschiffe. Ein Zeit- und Kostenfaktor für die Transportwirtschaft. AFP

Das zeigt sich gerade jetzt wieder deutlich: Denn der sechstägige Streik der deutschen Lokomotivführer bringt die Lieferketten in Europa schwer unter Druck. Das Chaos trifft die eh schon sehr anfällige Infrastruktur des globalen Warenverkehrs zu einer Unzeit. Was Claus Weselsky, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) in die Hände spielt, sorgt für hektisches Treiben bei produzierenden Firmen und vor allem ihren Logistik- und Speditionspartnern – auch im Exportland Vorarlberg.

Merlin Herrmann, Sprecher Gebrüder Weiss.
Merlin Herrmann, Sprecher Gebrüder Weiss.

Für Vorarlbergs Exporteure sind die Häfen in Rotterdam und Hamburg entscheidend. “Normalerweise erfolgt der Containerversand zu den Seehäfen zu 95 Prozent mit der Bahn”, informiert der Sprecher des Logistik-Konzerns Gebrüder Weiss, Merlin Herrmann, auf VN-Anfrage. “Die Alternative ist der Transport per Lkw – also die Verlagerung auf die Straße.” Das hat auch Auswirkungen auf die Kosten: “Die große Nachfrage nach Transportmöglichkeiten mit Lkw und der erhöhte Aufwand in der Planung und Abwicklung führt auch zu höheren Transportkosten“, so Herrmann. Doch nicht nur der Transport ist eine Herausforderung. “Hinzu kommen längere Standzeiten der Container in den Seehäfen, die nicht abgenommen oder verschifft werden können”, klärt er auf.

In den für Vorarlbergs Exporte wichtigen Häfen (Bild Rotterdam) staut es sich – wenn denn die Waren überhaupt dorthin geliefert werden können.  <span class="copyright">Reuters</span>
In den für Vorarlbergs Exporte wichtigen Häfen (Bild Rotterdam) staut es sich – wenn denn die Waren überhaupt dorthin geliefert werden können. Reuters

Der Streik geht ins Geld. “Ein eintägiger bundesweiter Bahnstreik kostet etwa 100 Millionen Euro am Tag an Wirtschaftsleistung”, sagte der Konjunkturchef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Grömling. Ob die Kosten eins zu eins auf einen sechstägigen Streik umgerechnet werden können, darüber sind sich die Ökonomen mangels Erfahrung aber uneinig. Dass es Mehrkosten in Millionenhöhe gibt, ist unbestritten, auch in Vorarlberg müssen diese Mehrkosten erst einmal erwirtschaftet werden. Zumal eine weitere “Baustelle” auf den globalen Lieferwegen für langwierige Umwege und Engpässe sorgt.

Enorme Auswirkungen

Die Unsicherheiten und die Angriffe der jemenitschen Bürgerkriegspartei Huthi auf Frachtschiffe, die den Suezkanal nutzen wollen, “hat bereits jetzt enorme Auswirkungen auf alle globalen Schifffahrtsrouten und führt zu längeren Transitzeiten, Routenänderungen, massiven Tariferhöhungen und Notfallzuschlägen”, berichtet Merlin Hermann über die Auswirkungen auf die Branche insgesamt und speziell auch für Österreichs größte Spedition, Gebrüder Weiss, mit Sitz in Lauterach. Klar ist auch, dass das zu erheblichen Mehrkosten führt. “Aufgrund der prekären Ausnahmesituation können Reedereien früher getroffene Vereinbarungen über Frachtkosten und Schiffsplätze nicht aufrechterhalten.” Wenn die kritische Lage anhalte, sei außerdem mit massiven Containerengpässen und Kapazitätsproblemen zu rechnen.

<p class="caption">Gebrüder Weiss rechnet mit Verzögerungen im Warenverkehr. Und es müssen jetzt Lkw in Einsatz kommen, um überhaupt die Container in die Seehäfen zu transportieren.<span class="copyright">fa</span></p>

Gebrüder Weiss rechnet mit Verzögerungen im Warenverkehr. Und es müssen jetzt Lkw in Einsatz kommen, um überhaupt die Container in die Seehäfen zu transportieren.fa

Die Nutzung der Route über das Kap der Guten Hoffnung führt zu Verzögerungen von zwei bis drei Wochen beim Gütertransport von Asien nach Europa. Viele Importeure haben jedoch aufgrund der Erfahrungen aus den Engpässen während der Corona-Pandemie Pufferlager aufgebaut und sind somit weiterhin lieferfähig, heißt es seitens des Vorarlberger Logistikkonzerns. Alternativ seien auch der Bahntransport aus China (so dieser nicht über Deutschland geführt wird) sowie kombinierte Luft- und Seefrachttransporte möglich.

Bislang ist kein vorzeitiges Ende des Streiks abzusehen, denn weder die Gewerkschaft noch die Deutsche Bahn sind zu Zugeständnissen bereit. Trotz der erheblichen Auswirkungen des sechstägigen Bahnstreiks wähnt GDL-Chef Claus Weselsky nämlich die öffentliche Meinung aufseiten der Streikenden. “Nicht die veröffentlichte Meinung spiegelt wider, wie die Menschen zu diesem Streik stehen, sondern die öffentliche Meinung”, sagte er am Donnerstag bei einer Kundgebung in Stuttgart. Und auch im Nahen Osten wird sich die Gemengelage nicht zugunsten internationaler Lieferketten ändern – und das sicher länger als sechs Tage. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland, der derzeit noch stärker unter der Wirtschaftskrise leidet als die österreichische Wirtschaft, ist der Streik fatal. Und ja, die entstandenen Kosten muss jemand zahlen.

Bahnstreik Deutschland

Um was es geht:

Der Tarifstreit dreht sich neben Entgeltforderungen vor allem um die Arbeitszeit. Die GDL fordert eine Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei gleichbleibenden Löhnen und Gehältern. Die Bahn lehnt das ab. Sie hat im Rahmen eines Wahlmodells bisher eine einstündige Absenkung auf 37 Stunden ohne finanzielle Einbußen angeboten. Wer sich dagegen entscheidet, soll stattdessen 2,7 Prozent mehr Geld erhalten.