Gold und Bitcoin im Höhenflug: Lohnt es sich zu investieren?

Börsenexperte Roland Rupprechter gibt Tipps zu Chancen und Risiken beim Investieren.
Dornbirn Der Goldpreis hat in dieser Woche seinen Höhenflug fortgesetzt und ein Rekordhoch erreicht. Am Dienstag wurde eine Feinunze (etwa 31,1 Gramm) an der Börse in London bei 2141 US-Dollar gehandelt. So teuer war das Edelmetall noch nie. Der Kurs der Digitalwährung Bitcoin hat ebenfalls ein neues Allzeithoch erreicht. Am Dienstagnachmittag überschritt die älteste und wichtigste Kryptowährung ihren bisherigen Rekord von knapp 69.000 US-Dollar vom 10. November 2021.
Die VN haben Roland Rupprechter, CEO des Dornbirner Investmentunternehmens R&B Research und Vermögensmanagement, gefragt, was die Gründe für die Rekorde sind, wie es weitergeht, welche Chancen und Risiken es gibt und welche Tipps er Anlegern geben kann.

Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe für den jüngsten Anstieg des Goldpreises auf ein Rekordhoch?
Rupprechter: Der jüngste Anstieg des Goldpreises dürfte eng mit den Zinserwartungen der Anleger zusammenhängen. Am 29. Februar wurden in den USA die neusten Inflationsraten veröffentlicht, die mit einer Rate von 2,4 Prozent im erwarteten Rahmen ausfielen und nahe dem Zielwert der Währungshüter lagen. Dementsprechend schürte dies bei vielen Anlegern neue Hoffnung, dass die Fed schon beim nächsten Zinsentscheid Ende März die Leitzinsen senken könnte. Diese Aussichten ließen nicht nur die Aktienmärkte jubeln – auch der Goldpreis zog auf ein Rekordniveau. Denn das per se zinslose Gold würde von einem Rückgang der Leitzinsen profitieren und für Anleger gegenüber anderen Assets wieder attraktiver werden.

Als weitere Treiber gelten die aktuellen Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten sowie Sorgen um die chinesische Wirtschaftsentwicklung. Gold gilt als Krisenwährung: Geopolitische Unsicherheiten treiben Anleger oft in den „sicheren Hafen“ Gold. Die steigende Nachfrage sorgt für einen höheren Preis. Ein weiterer Grund für den hohen Goldpreis liegt in der hohen Nachfrage der Zentralbanken. Vor allem die BRICS-Staaten stoßen US-Staatsanleihen ab und tauschen große Teile ihrer Dollarreserven in Goldreserven um.
Was befeuert den Bitcoin-Kurs derzeit?
Rupprechter: Beflügelt wird der Bitcoin-Kurs durch Mittelzuflüsse, die seit der Zulassung von Bitcoin-Fonds durch die US-Börsenaufsicht im Jänner auch von institutionellen Investoren in Bitcoin investiert werden. Diese Fonds haben alle Erwartungen übertroffen und verzeichnen Tag für Tag Kapitalzuflüsse von hunderten Millionen Dollar. Auch das für Mitte April erwartete Bitcoin-Halving, bei dem Belohnungen für Bitcoin-Miner für die Verifizierung von Krypto-Transaktionen halbiert werden, sorgte für Auftrieb.

Welche Risiken und Chancen sehen Sie beim Investieren in Gold im Vergleich zu Bitcoin?
Rupprechter: Nicht wenige sehen Gold und Bitcoin als “Brüder im Geiste”. In beiden Investorengruppen finden sich ähnliche Ansichten, wie etwa der Wunsch nach einem nicht inflationierbaren Geld oder die Unabhängigkeit von Zentralbanken. In Bezug auf Sicherheit spricht für Gold, dass ein Totalverlust ausgeschlossen ist. Anders bei Bitcoin: kein Strom, keine Internetverbindung, keine Kryptowährung. Und was von Menschen programmiert wurde, kann grundsätzlich von Menschen manipuliert werden. Außerdem ist die Kryptowährung noch zu jung, um einschätzen zu können, wohin die Entwicklung gehen wird.
Ein weiteres Plus für das Gold ist sein realer Gebrauchswert. Gold ist nicht nur ein Wertspeicher, sondern wird auch in der Industrie und der Schmuckbranche benötigt. Das sorgt für zusätzliche Begehrlichkeiten. Der Wert von Bitcoin ist dagegen rein nominaler Natur.
Während Gold auf eine lange Geschichte als Inflationsschutz zurückblicken kann, haben Bitcoin und andere Kryptowährungen bisher nicht die nötige Langlebigkeit, um als solche Instrumente betrachtet zu werden. Sie haben jedoch das Potenzial, eine Alternative zu Fiatwährungen zu werden. In der Zwischenzeit wird Bitcoin meist als „risikoreiche Anlage mit Potenzial für hohe Renditen“ oder als „rein spekulative Wette“ angesehen.

Wie schätzen Sie die langfristigen Aussichten für den Goldpreis ein?
Rupprechter: Wir bleiben positiv bezüglich der Entwicklung des Goldpreises. Die geopolitischen Krisenherde dürften leider bleiben. Die Notenbanken werden weiter Gold kaufen. Für Rückenwind sorgen auch die Unsicherheiten rund um die US-Präsidentenwahl im November. Historisch gesehen hatten US-Präsidentschaftswahlen oft einen direkten Einfluss auf den Goldpreis, da ein Führungswechsel häufig auch einen Wechsel in der Finanzpolitik mit sich brachte. Gleichzeitig ließen sich amtierende Präsidenten vor der Wahl oft noch zu expansiven „Wahlgeschenken“ hinreißen, was die Inflation nochmals anheizen könnte. Wir rechnen bis zum Jahresende mit einem Preisniveau von 2250 Dollar je Feinunze Gold.
Wie nachhaltig ist das Interesse an Kryptowährungen Ihrer Meinung nach?
Rupprechter: Derzeit sieht es stark danach aus, als würden die Spot-Bitcoin-ETFs schon bald die Gold-ETFs überholen können, obwohl es letztere bereits seit über 20 Jahren gibt, während die Bitcoin-Fonds in den USA erst seit knapp zwei Monaten handelbar sind. Hintergrund der hohen Nachfrage ist ein beständig stabiler werdender rechtlicher Rahmen der Marktaufsichten, welche immer mehr institutionelle Investoren und Banken in den Kryptomarkt investieren lässt.

Welche Tipps würden Sie Anlegern geben, die in Gold oder Bitcoin investieren möchten, insbesondere in Bezug auf Diversifikation und Risikomanagement?
Rupprechter: Gold als stabilisierende Beimischung gehört in jedes Anlageportfolio, denn ein gewisser Goldanteil verringert das Risiko, große Verluste zu erleiden. Wir empfehlen, einen Anteil von zumindest fünf bis maximal 20 Prozent des Vermögens in Gold zu investieren. Zur langfristigen Vermögensabsicherung empfehlen wir dabei klar, physisches Gold in Form von Münzen und Barren zu kaufen, da dieses das höchste Level an Sicherheit bietet. Um auch schwankende Goldpreise auszugleichen, empfiehlt sich der kontinuierliche Kauf von Gold in regelmäßigen Abständen.
Die besonderen Eigenschaften, die Bitcoin grundsätzlich von anderen Anlageklassen unterscheidet, erhöhen insgesamt die Diversifikation in einem Portfolio. Da das Timing, anders als bei Gold, eine essenzielle Rolle einnimmt, bedarf es einer sehr intensiven Marktbeobachtung. Die extrem hohe Volatilität erfordert ein sehr engmaschiges Risikomanagement. Uns erscheint ein Beimischungsgrad von maximal drei Prozent als akzeptabel. Am einfachsten und günstigsten lassen sich Bitcoins über eine Kryptobörse kaufen.