Via Mala zeigt ihr schlimmes Gesicht: San Bernardino- Autobahn durch Erdrutsch unbefahrbar

Sperre der wichtigen Nord-Süd-Route bis zu einem halben Jahr. Was Vorarlberger Autofahrer, Spediteure und Busunternehmen jetzt erwartet.
Schwarzach, Thusis Die Via Mala heißt nicht zufällig so: “Der schlimme Weg.” Über Jahrhunderte war dieser Weg von Vorarlberg in Italiens Norden, der seit 1487 vom Lindauer Boten, dem Vorgänger des Lauteracher Logistikkonzerns Gebrüder Weiss kommerziell genutzt wird, lebensgefährlich. Lebensgefährlich war die Reise nach Italien auf der Schweizer A 13 auch an diesem Samstag. Die Autobahn A 13 ist bei Lostallo auf der Südseite des San Bernardino durch einen Erdrutsch so beschädigt, dass es kein Durchkommen mehr gibt. Bis die Straße zwischen Thusis und Bellinzona wieder wie gewohnt befahrbar ist, wird es bis zu einem halben Jahr dauern. Zumindest für Pkw könnte es allerdings schon früher wieder klappen.

Zumindest eine Hälfte der A 13 könnte in drei bis vier Wochen wieder befahrbar sein. Darüber hat Guido Biaggio, Vize-Chef des Schweizerischen Bundesamts für Straßen, Astra, informiert. Die Wiederherstellung der wichtigen Nord-Süd-Verbindung hat bereits montags in der Früh begonnen, so Jérôme Jacky, Bereichsleiter Information und Kommunikation bei Astra, anlässlich der Medienorientierung am Montagmorgen. Freie Fahrt gibt es aber auch dann nicht: Für den Schwerverkehr sowieso nicht, aber auch Pkw-Fahrer müssen dann – und zwar über die besonders sensible Urlaubszeit hinaus – mit langen Staus rechnen: Dominik Tschol, stv. Direktor des ÖAMTC Vorarlberg, rät den Urlaubern deshalb zur großräumigen Umfahrung des San Bernardino und zur Einplanung längerer Fahrzeiten, „da kann man nichts schönreden“. Der Verkehrsklub stehe aber bereit, wenn die Mitglieder Fragen haben. Spediteur Michael Zimmermann (Otto Bischof Transport GmbH), Sprecher der Vorarlberger Transport und Verkehrswirtschaft, hat noch einen ganz wichtigen Tipp für die Pkw-Fahrer: „Fahren sie in der Nacht, untertags wird es täglich ein Staufiasko auf den Ausweichrouten geben.“ In der Nacht hingegen gilt in der Schweiz ein generelles Lkw-Fahrverbot.

Während es für Pkw-Fahrer noch einige Alpenpässe gibt, die sie nutzen können (siehe Grafik) so sie nicht gerade mit ihrem Wohnmobil oder mit Wohnwagen an der Anhängerkupplung unterwegs sind, ist für Lkw und Busse der Umweg programmiert: „Eigentlich kann man jetzt sinnvoll nur durch den Gotthardtunnel in den Großraum Mailand, ins Piemont und zum Hafen Genua gelangen“, erklärt Zimmermann im Gespräch mit den VN.

Alleine der Bernardino-Pionier Gebrüder Weiss schickt täglich rund 15 Fahrzeuge gen Süden (und wieder zurück), rechnet Stefan Oberhauser, Leiter des Standortes Lauterach von Gebrüder Weiss, vor. Er und sein Team sind seit dem Erdrutsch im Dauereinsatz, um die Logistik aufrechtzuerhalten. „Wir fahren jetzt über die Gotthardroute, den täglichen Stau müssen wir in Kauf nehmen“, sagt er. Rund 50 Lkw aus Vorarlberg sind täglich auf der Route ins wirtschaftliche Herz Italiens unterwegs. Insgesamt sind es 17.000 Fahrzeuge jeden Tag, im Jahr sechs Millionen Fahrzeuge, die durch den San-Bernardino-Tunnel fahren. Die müssen jetzt alle auf andere Routen umgeleitet werden.

„Wir sind am Analysieren, mit welchen Maßnahmen wir den Verkehr auf den Alternativrouten so flüssig wie möglich halten können“, berichtet Astra-Sprecher Jérôme Jacky weiter, entlang der Autobahn weise man bereits jetzt auf großen Anzeigentafeln auf die Situation auf der gesperrten A 13 hin. In der Westschweiz werde die Route über den Simplon auf dem Weg in den Süden angeraten. Der Erdrutsch bedeutet für private Automobilisten wie den Wirtschaftsverkehr nicht nur Zeit, sondern auch Mehrkosten. „Mindestens 150 Euro mehr kostet jetzt eine Fahrt in die Lombardei und Piemont pro Lkw“, sagt Zimmermann, bei Gebrüder Weiss ist man noch zurückhaltend: „Es ist noch zu früh, das zu beziffern“. Keine Option ist es den Markt zu vernachlässigen. „Der norditalienische Wirtschaftsraum ist einer der größten Handelspartner Vorarlbergs, alle großen Unternehmen unterhalten Geschäftsverbindungen in dieser Region“, erklärt Oberhauser. Kunden werden von allen Vorarlberger Spediteuren persönlich wie auch über Newsletter und Mails auf dem Laufenden gehalten“, so Zimmermann und Oberhauser gleichlautend. Mit Ausnahmesituationen habe man in den letzten Jahren umzugehen gelernt, erklärt der GW-Standortleiter, nicht ohne anzumerken, dass dies “die Arbeit auch interessant macht.“

Gerechnet wird auch bei den Busunternehmen, wie der Sprecher der Reisebranche, Klaus Herburger berichtet. „Diese Woche haben wir die Fahrt zum Markt in Luino abgesagt“, berichtet er über die aktuellen Entscheidungen in der Firma. Danach werde sein Unternehmen die Tagesausflüge wieder aufnehmen und eine Stunde früher über den Gotthard losfahren. Andere Anbieter überlegen sich, das Angebot zumindest einzuschränken. Die regelmäßigen Fahrten in die Urlaubsorte an der Adria werden von Herburger Reisen und weiteren Anbietern über den Brenner durchgeführt, erklärt er. Auch wenn die Umstände die Kosten treiben, werde es im Moment keine Nachverrechnung in seinem Betrieb geben. Wenn die Sperre längere Zeit andaure, werde es aber Auswirkungen auf die Preise haben – „haben müssen“.
Branchensprecher Zimmermann weist nach dem Erdrutsch außerdem darauf hin, dass die Verkehrsinfrastruktur in den Alpen insgesamt sehr zerbrechlich ist. Zum einen wegen der zunehmenden Wetterkatastrophen, zum anderen aber auch, weil zu wenig investiert wurde. „Wenn noch ein Verkehrsweg – etwa der Brenner – ausfällt, dann haben wir den Salat“, so Zimmermann abschließend.