Karlheinz Kopf: “Im Nachhinein ist man immer klüger”

ÖVP-Urgestein und Wirtschaftskammer-Präsident Kopf verteidigt den Schwenk zu Blau.
Schwarzach Karlheinz Kopf ist aus dem Inventar der Volkspartei nicht mehr wegzudenken. Schon viele Positionen prägten seinen Weg. Seit Kurzem ist er zurück in Vorarlberg: Als Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg. Allerdings hat er in Wien noch einiges zu tun. Er gehörte dem Verhandlerteam für eine mögliche ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition an – und dürfte nun auch bei den FPÖ-ÖVP-Verhandlungen ein gewichtiges Wort mitreden. Den Schwenk zu Blau verteidigt er.
Keine Schuldzuweisungen
44 Verhandlungstage innerhalb knapp 100 Tagen haben ÖVP, SPÖ und Neos benötigt, um zu merken, dass sie nicht zusammenfinden. Kopf möchte dafür niemandem die Schuld geben, sagt er. “Uns aus der Wirtschaft ist es darum gegangen, ein Standortprogramm sehr prominent im Regierungsprogramm zu verankern, das uns die Wettbewerbsfähigkeit wieder zurückbringt, um Wachstum zu generieren und Beschäftigung zu sichern.” Irgendwann habe man gemerkt, dass es in dieser Konstellation schwer zu erreichen sei, weil die Prioritäten der Verhandler unterschiedlich gewesen seien.
Lohnnebenkosten senken
Dass sich die SPÖ über den starken Einfluss des Wirtschaftsflügels der ÖVP bei den Verhandlungen beschwert, kontert Kopf damit, dass die Wirtschaft selbstverständlich großen Einfluss haben soll. Das sei das Gebot der Stunde – schließlich müsse die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Dafür benötigt es laut dem neuen WKV-Präsidenten mehrere Maßnahmen. Kopf erläutert: “Vor allem der produzierende Sektor hat die preisliche Wettbewerbsfähigkeit verloren.” Das habe mit der Inflation und den hohen Lohnabschlüssen zu tun. Die Löhne möchte man natürlich nicht zurücknehmen, sagt Kopf. “Also bleiben die arbeitgeberseitigen Lohnnebenkosten. Nicht die Versicherungen. In Wahrheit reden wir über den Familienlastenausgleichfonds.” Der mache sechs Milliarden Euro aus. “Es ist nicht einsehbar, warum die Arbeitgeber die Schülerfreifahrten, Schulbuchfinanzierungen und solche Dinge einseitig finanzieren. Das sind sinnvolle Maßnahmen, die aber ins allgemeine Budget gehören, um von einer Breite getragen zu werden”, fordert Kopf.
Energieabgaben senken
Zudem soll eine neue Bundesregierung die Energieabgaben wieder senken. Die frühere Bundesregierung hat diese Abgaben als Wirtschaftshilfe bereits reduziert, diese Maßnahme ist jedoch ausgelaufen. “Das wird im Jänner einen kleinen Inflationsschub geben”, befürchtet Kopf. Zudem müsse eine neue Bundesregierung Investitionsanreize setzen sowie Maßnahmen beschließen, die das Arbeitskräftepotenzial steigern; durch Attraktivierung von Vollzeit, von Arbeiten im Alter, Steuerbefreiung von Überstunden und gezielte Anwerbung von Fachkräften im Ausland.
Willkommenskultur
Dass eine FPÖ-Regierung die Attraktivität Österreichs für ausländische Fachkräfte senkt, glaubt Kopf nicht. Aber diese Punkte könnten natürlich zu Diskussionen mit der FPÖ führen, fährt Kopf fort. “Eine Debatte über die Rot-Weiß-Rot-Card wird sicher notwendig sein. Und wenn es keine Kultur des Willkommens für Arbeitswillige gibt, gehen sie wo anders hin.”
Wichtig sei ein Bekenntnis zur EU. “Bei allen Punkten die man kritisieren kann. Fakt ist, dass Österreich in den letzten 30 Jahren massiv profitiert hat. Es darf kein Weg zurück in die Isolation und die Renationalisierung geben. Das wäre zum Schaden der Wirtschaft und der Menschen im Land. Diese Grundsatzfrage muss geklärt werden.” Das mögliche Scheitern des Handelsabkommens Mercosur sei zudem bedauerlich.
Die ÖVP hat Monate lang die FPÖ unter Kickl als Koalitionspartner kategorisch ausgeschlossen – um jetzt mit ihm zu verhandeln. Kopf fragt: “Was wäre die Alternative?” Die wären nämlich Neuwahlen. “Die hätten einen ziemlich erwartbaren Ausgang und würde eine Regierungsbildung nicht vereinfachen. Und es hieße weitere Monate Stillstand.” Neuwahlen seien also sicher nicht die bessere Alternative.
Frage: Sollte man also vorsichtiger sein mit absoluten Aussagen in der Politik? Kopf überlegt lange, und stellt fest: “Im Nachhinein ist man immer klüger.”