Gewerkschaftsboss: “Mir hat es den Magen umgedreht”

In den aktuellen Koalitionswirren ist die Sozialpartnerschaft in den Fokus gerückt, die auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Pro-GE, Reinhold Binder, weiterführen will. Auch wenn er mit Unternehmern und Interessenvertretern hart ins Gericht geht.
Götzis Die Gewerkschaft Pro-GE, eine von sieben Teilgewerkschaften, die im ÖGB vereint sind, ist die größte Arbeitergewerkschaft in Österreich mit über 230.000 Mitgliedern. Sie verhandelt etwa 140 Kollektivverträge in verschiedensten Branchen und ist – etwa in Vorarlberg – wieder am Wachsen. Zurückzuführen ist das auf die aus Sicht der Gewerkschaft guten Verhandlungsergebnisse für die Arbeiter bei den jüngsten Kollektivvertragsverhandlungen. „Das war der härteste Arbeitskampf der letzten 60 Jahre“, blickt der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Reinhold Binder, darauf zurück. In Vorarlberg tauschte er sich kürzlich vor Ort mit Betriebsräten und Gewerkschaftern aus.
“Falsch abgebogen”
Die Wirtschaftslage und die angedrohten Zölle durch US-Präsident Donald Trump sind für den Gewerkschafter, der seit 2023 den Vorsitz bei der Pro-GE innehat, beunruhigend. „Bereits bei der letzten Präsidentschaft Trumps hätte Europa viel lernen können“, ist er sich aber sicher. Europa sei aber an entscheidenden Weggabelungen falsch abgebogen, nimmt der die Automobilindustrie in die Pflicht. „Die Branche hat in den letzten Jahren horrende Gewinne gemacht, aber die Entwicklung in China nicht wirklich beobachtet“, da herrschen ja völlig ungleiche Verhältnisse, verweist er außerdem auf die Marktbedingungen dort. Doch auch Erfolge sehe er, etwa bei BMW in Steyr, wo heute rund 1000 Mitarbeiter im Bereich Elektroantrieb arbeiten. „Solche Änderungen gehen aber nur, wenn man die Menschen mitnimmt.“

Respekt vor den Mitarbeitern, das soll für den mächtigen Gewerkschafter aber auch im Geldbeutel zu spüren sein – trotz der Wirtschaftskrise und der härtesten Rezession, die den Standort seit Jahrzehnten plagt. In der Frühjahrslohnrunde geht es genau darum für rund 120.000 Beschäftigte in den Branchen Elektro, Glas, Papier und Chemie. Maßgeblich für die Forderungen sei die rollierende Inflation, die zuletzt bei rund drei Prozent lag. Drunter gehe man sicher nicht, richtet er den Unternehmern schon im Vorfeld aus. Es könne nicht sein, dass die Mitarbeiter leiden, weil man im Management verschiedene Entscheidungen nicht oder falsch getroffen habe, betont er im Gespräch mit den VN. Und legt nach: „Wenn irgendwer glaubt, dass wir ein Billigstlohnland werden, der irrt sich gewaltig.“
Qualifizierungsinitiative
Ein wichtiger Teil sei deshalb auch im Zuge der KV-Verhandlungen eine Qualifizierungsoffensive mit Schwerpunkt auf der dualen Ausbildung. Damit liegt er übrigens mit der WKÖ auf einer Linie, die ebenfalls gerade eine Kampagne für die Lehre fährt. Doch Binder will mehr Verbindlichkeit. Er könnte sich eine Strafzahlung für Betriebe vorstellen, die nicht ausbilden. Immerhin: Auch für ihn seien die Anstrengungen der Vorarlberger Firmen bei der Rekrutierung von Lehrlingen ein Vorbild für die Unternehmen im Osten der Republik. Qualifizierte Mitarbeiter seien ein Gebot der Stunde, denn für den Technologieschub in der Industrie, für die Digitalisierung und die Implementierung der Künstlichen Intelligenz brauche es Menschen, so Binder.

Um den Standort wieder flottzumachen, gebe es andere Mittel, als bei den Mitarbeitern zu sparen, sagt der Gewerkschafter: „Es gibt viele Beispiele, wie Bürokratie abgebaut werden kann“, auch bei den Energiepreisen gäbe es Möglichkeiten. „Keine Möglichkeit ist es, Arbeitnehmerrechte abzubauen“, poltert er in Richtung der oberösterreichischen Wirtschaftskammer-Präsidentin Doris Hummer, die aus seiner Sicht genau das gefordert habe. „Mir hat es den Magen umgedreht“, so Binder, „wir wollen wettbewerbsfähige Unternehmen, aber so nicht.“
