Immer mehr Krankenstandstage: “Ja, das sollte uns Sorgen machen”

Unternehmerin Verena Eugster über den zunehmenden Druck in der Arbeitswelt.
Die Zahl der Krankenstandstage steigt, Jungunternehmer:innen stehen laut Konjunkturbarometer unter Druck. Sollte uns das Sorgen machen?
Ja, das sollte uns zu denken geben. In Vorarlberg liegen wir bei fast 15 Krankenstandstagen im Schnitt. Die Zahl selbst ist nicht das Hauptproblem, sondern die Hintergründe: Immer mehr Menschen fallen wegen Stress und psychischer Belastungen aus. Niemand sollte arbeiten, wenn er psychisch oder körperlich krank ist – das ist selbstverständlich. Gleichzeitig erleben wir eine Welt, die immer schneller wird und nicht auf uns wartet. Genau hier liegt die Herausforderung: Auf der einen Seite brauchen wir Verständnis und Menschlichkeit, auf der anderen Seite müssen wir die Leistungsfähigkeit der Betriebe sichern. Es geht nicht ums Gegeneinander, sondern um Balance.
Hat sich unser Gesundheitsverständnis verändert?
Ja, eindeutig. Früher galt man als krank, wenn man Fieber hatte. Heute sind es oft Überforderung oder psychischer Druck, die uns aus der Bahn werfen – unsichtbar, aber nicht weniger schwerwiegend. Psychische Gesundheit ernst zu nehmen, ist ein Fortschritt. Gleichzeitig fehlen Strukturen, um das gut abzufedern. Viele Jungunternehmer:innen schildern, dass sie einerseits Verständnis zeigen wollen, andererseits aber ihr Unternehmen auf Kurs halten müssen.
Was bedeutet das für junge Unternehmerinnen und Unternehmer?
Es bedeutet, dass wir zwischen den Stühlen stehen. Wir müssen oft am Limit funktionieren und gleichzeitig Teams führen, die stabil bleiben sollen. Wenn dann noch hohe Krankenstände dazukommen, ist das eine explosive Mischung. Unternehmer:innen sind nicht nur Menschen, die ausschließlich Leistung fordern. Wir tragen Verantwortung für beide Seiten. Wir wollen, dass Menschen gesund bleiben, und gleichzeitig brauchen wir Verlässlichkeit, sonst hält das System nicht. Ohne Balance zwischen Menschlichkeit und Leistungsfähigkeit verliert am Ende jeder – die Arbeitnehmer:innen, die Arbeitgeber:innen und damit das ganze gesellschaftliche System.