Ein Prüfstein für #MeToo

Menschen / 17.02.2020 • 21:34 Uhr
Harvey Weinstein hat vieles verloren: seine Filmfirma, seinen Ruhm, seine Macht und seine Gesundheit. AFP
Harvey Weinstein hat vieles verloren: seine Filmfirma, seinen Ruhm, seine Macht und seine Gesundheit. AFP

Schuld oder Unschuld? Heute beginnen die Geschworenen ihre Beratungen im Harvey-Weinstein-Prozess.

New York Das Schicksal des einstigen Hollywood-Moguls Harvey Weinstein liegt nun in der Hand von zwölf Geschworenen. Im Vergewaltigungsprozess gegen den Filmproduzenten in New York beraten sie ab heute über Schuld oder Unschuld des 67-Jährigen. Der Ausgang ist offen: Nach den mehrwöchigen Anhörungen erscheint eine Verurteilung ebenso möglich wie ein Freispruch – oder gar ein Platzen des Prozesses.

Das Verfahren – Bühne und Prüfstein zugleich für die weltweite #MeToo-Bewegung – hat gezeigt, wie schwierig die Aufarbeitung mutmaßlicher Sexualverbrechen gerade in der Filmwelt ist. Im Spannungsfeld zwischen Macht, Sex, Prominenz, Karriere und Gewalt ist die Wahrheit nur schwer zu ermitteln.

Zwei Fälle vor Gericht

Im Prozess in New York ging es nur um zwei Fälle: Die Schauspielerin Jessica Mann wirft Weinstein vor, sie 2013 in einem Hotelzimmer in New York vergewaltigt zu haben. Die frühere Produktionsassistentin Mimi Haleyi beschuldigt den 67-Jährigen, ihr 2006 Oralsex aufgezwungen zu haben.

Vier weitere Frauen sagten während des Prozesses aus, sie seien von Weinstein sexuell attackiert worden. Die Staatsanwaltschaft wollte damit ihre These untermauern, bei Weinstein habe es ein wahres Muster sexueller Gewalt gegeben. Ein „Raubtier“ sei der 67-Jährige, sagte Staatsanwältin Joan Illuzzi-Orbon am Freitag in ihrem Schlussplädoyer. Er habe seine Macht schamlos ausgenutzt.

Der Produzent hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Er spricht von einvernehmlichem Sex. Sein Anwaltsteam versuchte während des Prozesses, die Glaubwürdigkeit der mutmaßlichen Opfer zu untergraben. Mann und Haleyi mussten einräumen, mit Weinstein nach den mutmaßlichen Attacken jeweils mindestens ein Mal einvernehmlichen sexuellen Kontakt gehabt zu haben. Die 34-jährige Mann blieb mit ihm gar jahrelang in Kontakt.

War es einvernehmlich?

Das allein bedeutet aber nicht, dass die Vorwürfe gegen Weinstein falsch wären. Im Prozess sagte eine Psychologin aus, Opfer sexueller Gewalt würden häufig den Kontakt mit dem Täter aufrechterhalten und mit niemandem über den Angriff sprechen. Die zentrale Frage, ob der Sex einvernehmlich war oder nicht, sei in dem Fall nur schwer zu beantworten, sagte der Rechtsprofessor Bennett Gershman.

Weinstein-Anwältin Donna Rotunno versuchte in dem Prozess, den Spieß umzudrehen und den Filmproduzenten als Opfer darzustellen. Er sei von Frauen manipuliert worden, die ihre Karrieren hätten voranbringen wollen.

Die fünf Frauen und sieben Männer werden nun hinter verschlossenen Türen über Schuld oder Unschuld des 67-Jährigen beraten. Das kann dauern. Die Geschworenen müssen einstimmig zu einem Urteil kommen; gelingt ihnen das nicht, wäre der Prozess geplatzt.

Weitere Anklagen

Doch unabhängig vom Ausgang des New Yorker Prozesses: Den Schlusspunkt der Affäre Weinstein wird er nicht bedeuten. In Los Angeles laufen Ermittlungen gegen den geächteten Ex-Produzenten, außerdem sind mehrere Zivilklagen anhängig.