Mehr Vorarlberg für Brüssel

Der Lustenauer am Tag der offiziellen Vereinsgründung.
Ein Lustenauer gründete den Verein der Vorarlberger in Brüssel.
BRÜSSEL Was die Politik nicht schafft, nimmt der Bürger selbst in die Hand. Ein Beispiel: der Lustenauer Sebastian Vogel. Acht österreichische Bundesländer unterhalten in Brüssel ein Bundeslandbüro. Nur Vorarlberg verzichtet darauf. „Wir haben beschlossen, selber so etwas zu machen“, erzählt Vogel – und gründete mit anderen Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern den Verein der Vorarlberger in Brüssel.
Netzwerken ist alles
Der 28-jährige Sebastian Vogel ist ein eher untypischer Brüsseler Mitarbeiter. Traditionell müssen Bewerberinnen und Bewerber für einen Posten in Brüsseler Institutionen ein aufwendiges Bewerbungsverfahren durchlaufen. „Das ist ein brutaler Konkurrenzkampf mit vielen Bewerbern, die sehr gut ausgebildet sind, fünf oder mehr Sprachen sprechen und von mega Universitäten kommen. Ich habe in Göteborg studiert, kann Englisch und Deutsch, ein bisschen Französisch und ein ganz klein wenig Spanisch.“ Trotzdem hat Vogel vor einem Jahr einen der begehrten Posten ergattert. Er arbeitet für das Europäische Komitee für Normung. Wie er das gemacht hat? „Ich habe mit den richtigen Leuten geredet, viel Glück gehabt und Netzwerke geschaffen.“ Und diese Netzwerke möchte er mit dem Verein der Vorarlberger institutionalisieren.
Der Weg nach Brüssel führte über Dornbirn und Wien. Nach seiner Matura am Gymnasium Dornbirn-Schoren studierte er Politik in der Bundeshauptstadt. Ihn zog es rasch ins Ausland. Er absolvierte Praktika in der Botschaft auf den Philippinen und bei der Wirtschaftskammer in Australien. Seinen Master schloss er in Göteborg ab. Nach einer kurzen Rückkehr in die Heimat, um im Covid-Team in Vorarlberg mitzuarbeiten, zog Sebastian Vogel nach Brüssel.
Komplizierter Beruf
Und was macht er jetzt dort beruflich? Sebastian Vogel lacht nach dieser Frage. „Das ist sehr komplex“, sagt er und erklärt es anhand mehrerer Beispiele – etwa dem Handyladekabel. Die EU-Kommission wünscht sich einheitliche Ladekabel. Sie schreibt aber zunächst nicht vor, welches Kabel es am Ende wird. Da kommen Sebastian Vogel und seine Kolleginnen und Kollegen ins Spiel. Sie vermitteln zwischen Politik und Wirtschaft, sprechen sich mit den Unternehmen, Experten und der Kommission ab. Das Ziel: Herauszufinden, was für die Industrie möglich ist und was die Kommission durchsetzen kann. Formell sind diese Komitees private Organisationen, die aber zum Teil aus Mitgliedern öffentlicher Institutionen bestehen. Vogel macht das bei Batterien, Elektroautos, Stromnetzen und so weiter.
Ohne Netzwerk geht es nicht
Nebenbei ist er jetzt Obmann eines Vereins. Die 16 Gründungsmitglieder haben eine Lücke geschlossen, erzählt Vogel. „Wir haben das Gefühl gehabt, dass zu wenig für Vorarlberger in Brüssel getan wird. Entscheidungen fallen oft über den Kontakt vor Ort und über Netzwerke. Vorarlberg ist nicht vor Ort, das haben wir als Manko gesehen.“
Der Verein habe sogar einen Vorteil gegenüber den anderen Bundesländerbüros. „Bei uns ist vieles informeller.“ Da sitzt dann unter anderem mit dem Generaldirektor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in der EU-Kommission, Wolfgang Burtscher, einer der mächtigsten Brüsseler Beamten am Tisch mit einem einfachen Vorarlberger Praktikanten und trinkt ein Bierchen. „Das gibt es bei den anderen Bundesländern nicht“, erzählt Sebastian Vogel. Der Verein organisierte bereits Jassturniere, ein Sommerfest, Pizzaessen mit Finanzminister Magnus Brunner, Abendessen mit Landeshauptmann Markus Wallner und wurde zum Käseabend mit der Europaabgeordneten und Neos-Vorarlberg-Chefin Claudia Gamon eingeladen. „Das ist auch für die Älteren cool, die schon lange in Brüssel sind“, fährt der 28-Jährige fort. „Sie können wieder einmal Dialekt reden und ihren Familien die Vorarlberger Kultur näher bringen.“
Das Land habe es verabsäumt, eine Präsenz in Brüssel aufzubauen, sagt Sebastian Vogel. „Wir hoffen, sie machen es irgendwann. Aber solange sie es nicht tun, sind wir da.“ VN-mip
„Entscheidungen fallen oft hier. Vorarlberg ist nicht vor Ort, das haben wir als Manko gesehen.“



Zur Person
SEBASTIAN VOGEL
GEBOREN 21. August 1995
WOHNORT Brüssel
BERUF im Komitee für Normung in Brüssel
AUFGEWACHSEN in Lustenau
FAMILIENSTAND ledig
HOBBYS Joggen, Fotografieren. „Mein Hobby ist der Verein“
VEREIN DER VORARLBERGER IN BRÜSSEL www.zemat.eu