“Ich will nicht Menschen töten müssen”

Menschen / 12.03.2024 • 16:15 Uhr
Flüchtlingsheim in Feldkirch, Geschichte über einen Somalier
Abdirizak Hassan Abdulle teilt sich mit einem Landsmann das Zimmer im Schulbrüderheim in Feldkirch. Beate Rhomberg

Asylwerber Abdirizak Hassan Abdulle (22) hat ganz konkrete Vorstellungen von seinem Leben. Er möchte Kameramann werden.  

Feldkirch Die somalische Terrororganisation Al-Shabaab wollte Abdirizak Hassan Abdulle (22) zwangsrekrutieren. Doch der junge Mann, der in Somalia am Meer lebte und im kleinen Restaurant seiner Mutter arbeitete, wollte dieser islamistischen militanten Bewegung keinesfalls angehören. Denn: „Ich will nicht Menschen töten müssen.“ Deshalb flüchtete er schweren Herzens aus seiner Heimat Somalia. „Es tut weh, wenn man sein Land verlassen muss. Aber ich hatte keine Wahl.“ Abdirizak wollte in ein Land, das sicher ist – in ein Land, in dem kein Terror oder Krieg herrscht.

Deutsch büffeln

Im September 2022 erreichte der junge Somalier nach einer monatelangen Flucht über die Balkanroute Österreich, welches ihm mittlerweile zur zweiten Heimat geworden ist. Heute lebt er im Schulbrüderheim in Feldkirch, wo 159 weitere Asylwerber und Männer mit Bleiberecht aus 15 Nationen wohnen. Er teilt sich das 18 Quadratmeter große Zimmer mit einem Landsmann.

Abdirizak ist gerade vom Deutschunterricht nach Hause gekommen. 12 Stunden in der Woche geht er zur Schule und paukt die fremde Sprache. „Ich muss Deutsch lernen, damit ich andere Menschen verstehen kann und einen Beruf lernen kann.“  Der Asylwerber hat ganz konkrete Vorstellungen von seinem Leben. „Ich möchte Kameramann werden.“ Aber dafür sind noch einige Hürden zu meistern. Zuerst muss er den Hauptschulabschluss machen. Der junge Somalier ist zuversichtlich, dass ihm das gelingt. Deshalb paukt er fleißig Deutsch-Vokabeln.

Flüchtlingsheim in Feldkirch, Geschichte über einen Somalier
Abdirizak mit Clemens Hepberger, einem seiner Betreuer.

Bevor er zur Arbeit geht, bereitet er sich noch einen schwarzen Tee zu. Abdirizak macht zweimal wöchentlich die Küche in der Polizeischule in Feldkirch sauber. Die paar Stunden Arbeit sind ihm neben dem Deutschunterricht eine willkommene Abwechslung in seinem unaufgeregten Alltag. Abdirizak, der geduldig auf den Asylbescheid wartet, hat viel Zeit. Um der Langeweile zu entkommen und weil er gerne Fußball spielt, ist er vor einem Jahr dem Fußballverein SC Tisis beigetreten. Beim Kicken vergisst er vorübergehend seine Sorgen und sein Heimweh. „Meine Frau und meine kleine Tochter leben in einem Flüchtlingslager in Äthiopien.“ Abdirizak sehnt sich nach ihnen. Der Somalier vermisst auch seine Heimat. „Mir geht die Sonne ab, das Meer und die Fische.“

“Ein so kaltes Land wie Österreich habe ich noch nie erlebt.”

Abdirizak Hassan Abdulle, Asylwerber aus Somalia

An das Klima in Österreich muss er sich erst noch gewöhnen. „Ein so kaltes Land wie Österreich habe ich noch nie erlebt.“ Wenn es draußen Minusgrade hat, bleibt der Somalier zu Hause. „Da gehe ich gar nicht raus.“ Aber als einmal dicke Schneeflocken vom Himmel fielen, trieb ihn die Neugierde hinaus. „Ich wollte wissen, wie Schnee schmeckt.“ Er ließ sich den Schnee auf der Zunge zergehen und war überrascht, dass er weder nach Zucker noch nach Salz schmeckt. Auch das österreichische Essen fand er anfangs befremdlich. Aber die Leibspeise der Vorarlberger mundet auch ihm. „Ich esse sehr gerne Kässpätzle.“ Wenn er heute Abend von der Arbeit heimkommt, wird er mit Kollegen zusammen kochen. „Wir bereiten Bariis zu, ein somalisches Reisgericht“, sagt der 22-jährige Asylwerber und nippt genüsslich am heißen Tee.