Mode, Maße und Matura

Menschen / 17.03.2024 • 11:15 Uhr
Vorarlbergerinnen des Tages
Die Schülerinnen aus der zweiten Klasse interviewen die Teilnehmer für die Plakatausstellung. HTL Dornbirn

Drei Schülerinnen der HTL Dornbirn veranstalten am Welt-Down-Syndrom-Tag eine inklusive Modeschau.

Dornbirn Nach Schätzungen der Arbeitsgruppe Down-Syndrom leben in Vorarlberg zwischen 500 und 600 Menschen mit Trisomie 21. Ein Problem: es gibt es kaum Kleidung, die zu ihrem Körperbau passt. Drei Maturantinnen der HTL Dornbirn, Ausbildung Mode, wollen das ändern. Das Thema ihrer Diplomarbeit lautet deshalb: Mode und Inklusion – Kleidung für Menschen mit Down-Syndrom. Die Initiative ging von Emma Baur aus, deren Bruder Marwin mit Trisomie 21 zur Welt kam. „Auf dem Downsyndrom-Kongress in Salzburg erzählte eine Betroffene, dass sie immer noch ihre Kleidung in der Kinderabteilung kaufen muss, weil ihr, wegen der Proportionen, handelsübliche Konfektionsgrößen einfach nicht passen“, berichtet die 19-Jährige, die sich bis zu diesem Zeitpunkt der Problematik auch nicht bewusst war. Und das, obwohl sie regelmäßig die Hosen ihres Bruders kürzt. Am nächsten Tag erzählte die Rankweilerin ihren Freundinnen von dieser Benachteiligung und schlug vor, die Lücke wenigstens ein klein wenig zu schließen. Emma Peer und Zehra Duman waren von der Idee sofort begeistert.

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Die drei Designerinnen der HTL Dornbirn (v.l.) Zehra Duman, Emma Peer und Emma Baur.

Keine Größentabelle

Am Computer starteten die Mädchen ihre Recherche. Ziemlich schnell stellten sie fest: Es gibt keine Größentabellen. Es gibt so gut wie nichts. Also nahmen sie Kontakt mit Martina Natter von der Arbeitsgruppe Down-Syndrom auf und bereiteten eine Umfrage vor. Eine der zentralen Fragen an die Betroffenen lautete: Was sind die größten Probleme beim Einkaufen von Kleidern?
„Wir bekamen 39 Antworten zurück, die wir ausgewertet haben“, sagt Emma Peer aus Rankweil. „Das Ergebnis können wir mit wenigen Worten zusammenfassen: zu lange Ärmel, zu enge Oberteile, Probleme mit der Rückenlänge und zu lange Hosenbeine.“ – „Was den meisten außerdem noch wichtig war zu erwähnen: Shoppen ist auch für Angehörige eine große Belastung“, ergänzt Zehra Duman. „Ein echter Stressfaktor und außerdem noch kostspielig“, weiß Emma Baur aus eigener Erfahrung.

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Emma Peer steckt das Kleid ab, um es auf die passende Länge zu bringen.

Welt-Down-Syndrom-Tag

Zwölf junge Frauen und Männer mit Trisomie 21 stellten sich als Models zur Verfügung. Die Diplomarbeit besteht nämlich aus einem theoretischen und praktischen Teil. Letzteren wollen die jungen Frauen in Form einer Modeschau umsetzen, die am Welt-Down-Syndrom-Tag, also am 21. März, stattfinden soll. „Dafür designen wir hippe Alltagskleidung, die unsere Models mit ihren eigenen Sachen kombinieren können“, erzählt Emma und erklärt die weitere Vorgangsweise: „Um individuell auf die Wünsche eingehen zu können, bekam jeder einen Wunschzettel mit seinem Foto, auf dem angekreuzt werden konnte, was sie sich vorstellen und in welcher Farbe. Besonders hoch im Kurs standen Hemden, Kleider, Jeans, Stoffhosen und T-Shirts. Auch Emmas Bruder Marwin ist mit dabei und hat sich für hellblaue Jeanshosen, schwarzes Hemd und lila T-Shirt entschieden.

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Jeder bekam einen Wunschzettel, auf dem das Kleidungsstück und die Farbe angekreuzt werden konnte.

Riesiges Projekt

Doch von der Idee bis zum fertigen Kleidungsstück ist der Weg lang und arbeitsintensiv. Der Feuereifer des Trios trieb das Projekt an. Die Kreativität zusammen mit dem Know-how trafen auf coole Designvorschläge und Stylings, die flott und raffiniert zugleich sind. Dazu kam noch die Organisation der Veranstaltung. „Neben der Modeschau soll es für die Besuchenden auch noch eine Plakatausstellung geben, auf der sie sich informieren können“, sagen Zehra Duman und Emma Peer und zählen auf: „Einladungen mussten verschickt werden, ein Kuchenbuffet organisiert, dessen Erlös an die Arbeitsgruppe Down-Syndrom gespendet wird und vieles mehr gemanagt werden.“ Das Vorhaben wuchs und wuchs und wurde größer und größer. Immer mehr andere Klassen beteiligten sich daran. Die zweiten Klassen etwa nähten die T-Shirts für die Models und Hoodys für sich selbst, weil sie bei der Show auf dem Laufsteg dabei sind. „Unsere Lehrerinnen, Frau Annemarie Prirsch, hat uns bei allem voll unterstützt. Dafür sind wir sehr dankbar“, streuen die Mädchen der Abteilungsleiterin für den Fachbereich Mode Rosen. Sie war es auch, die Vorschlug, in der Kalenderwoche 12 gleich für alle Klassen die traditionelle soziale Woche abzuhalten.

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Hemden standen bei den Models besonders hoch im Kurs.

Inklusion leben

Doch bis dahin sind es nur noch wenige Tage. Klar, dass die Aufregung groß ist. Nicht nur bei den Maturantinnen selbst, auch in der ganzen Schule. Auch die zwölf Models spüren eine erste Nervosität aufkommen. Dennoch ist allen klar, dass sie gemeinsam stark sein werden. Und genau dieses „Gemeinsam“ ist der Kern ihrer Diplomarbeit. „Wir wünschen uns ein miteinander, das niemand ausschließt“, wollen Emma Baur, Emma Peer und Zehra Duman eine Brücke zwischen Menschen mit und ohne Trisomie 21 schlagen. Weil in der Modeindustrie alles genormt ist, findet keine Inklusion statt. „Kleidung, die gut aussieht und passt und ganz selbstverständlich in jedem Fashion Shop erhältlich ist, wird wohl noch lange ein Traum bleiben“, sagt Emma Baur. „Wir freuen uns aber, dass Menschen mit Down-Syndrom bei uns an der HTL Dornbirn, Abteilung Mode, am 21. März für einen Tag ein vollwertiger Teil der Gesellschaft sein können.“ – „Dafür hat sich die viele Arbeit mehr als gelohnt“, so Emma Peer. CRO

Zu den Personen

Emma Baur
Alter 19 Jahre
Familie Bruder Marwin
Wohnort Rankweil
Weiterer Lebensweg Studium der Erziehungswissenschaft in Wien
Hobbys tanzt, seit sie Acht ist, auch gemeinsam mit Marwin im Tanzhaus Hohenems, Joggen

Emma Peer
Alter 18 Jahre
Wohnort Göfis
Weiterer Lebensweg Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaft
Berufswunsch Arbeiten bei einem Modemagazin
Hobbys Turnen beim TS Göfis, Tanzen bei der Bühnentanzschule Dance Hall, Klavier spielen

Zehra Duman
Alter 19 Jahre
Wohnort Dornbirn
Weiterer Lebensweg Studieren, Fachrichtung noch offen;
Hobbys Familie

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Marwin mit seiner Schwester Emma.
Mode, Maße und Matura
Ein starkes Team: Die Tänzerinnen und Tänzer vom Tanzhaus Hohenems.