“Einen Altartisch in Brand zu setzen, hat nichts Spontanes”

Menschen / 18.04.2024 • 08:30 Uhr
"Einen Altartisch in Brand zu setzen, hat nichts Spontanes"
Kirchenratspräsident Dalibor Balta (l.) und Pfarrer Nikola Balovic. vn/pem

Die serbisch-orthodoxe Kirchengemeinde steht immer noch unter Schock und hofft auf eine Entschuldigung.

Feldkirch Der Schock in der serbisch-orthodoxen Kirchengemeinde in Feldkirch sitzt seit der Brandstiftung vergangenen Samstag immer noch tief. “Ich habe noch an dem Morgen eine Messe gefeiert”, erzählt Nikola Balovic, Pfarrer und Gemeindevorsteher. Seit über zehn Jahren ist er in der Kirchengemeinde. “Erst habe ich einen Anruf von meiner Frau bekommen, dann kam der von der Polizei, dass die Kirche brennt.”

"Einen Altartisch in Brand zu setzen, hat nichts Spontanes"
Balovic ist seit über zehn Jahren in der Kirchengemeinde. vn/pem

Mit einem Bekannten hat sich der Pfarrer sofort auf den Weg gemacht, denn selbst hätte er nicht fahren können, wie er schildert. “Es war ein Schock. Ich hatte Angst. Als ich dort war, habe ich gemerkt, dass es glücklicherweise nicht so schlimm ist, wie ich es mir ausgemalt hatte.” Zwei Minderjährige haben an mehreren Stellen in der Liebfrauenkirche, wo die serbisch-orthodoxe Kirchengemeinde beheimatet ist, Feuer gelegt. Unter anderem auch am Altar. Mittlerweile sei ein dritter Täter ermittelt worden, der vor der Kirche stand.

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Die Kirche steht für allen Orthodoxen aus Vorarlberg offen. vn/pem

“Laut Polizeiberichten hat einer der Täter ausgesagt, dass er das aus lauter Langeweile gemacht hat. Ich darf interne Daten der Buben nicht veröffentlichen, aber es spielt nicht so eine entscheidende Rolle, welche Nationalität sie haben. Wichtig ist, dass sie identifiziert wurden. Es sind Wiederholungstäter und das mit 12 und 13 Jahren”, sagt Balovic.

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Beschädigt wurde dabei der Altarraum – das Zentralobjekt. Darauf liegen das Evangelium und eine wichtige Reliquie, ohne die kein Gottesdienst stattfinden kann. “Als Pfarrer sehe ich die Tat als Schändung des Gotteshauses und Altars.”

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Der Pfarrer zeigt, wie die Täter den Hebel gefunden haben und zum Altar gekommen sind. vn/pem

Die serbisch-orthodoxe Kirchgemeinde gibt es in Feldkirch bereits seit 1976 und sie ist mittlerweile ein geistlicher Stützpunkt für alle Orthodoxen. “Wir haben Menschen hier aus der Ukraine, Russland, Bulgarien, Griechenland und Rumänien. Aber auch geflüchtete Christen aus Afrika und Syrien”, betont der Geistliche. “Für mich stellt sich grundsätzlich eine wichtige Frage, die noch keiner beantwortet hat. In einer normalen Welt bekommt man eine Entschuldigung und bittet um Verzeihung, wenn man so etwas Grausames tut. Verzeihung bekommt man, wenn man darum bittet. Wir sind bereit zu verzeihen, aber bis dato hat sich niemand gemeldet.”

"Einen Altartisch in Brand zu setzen, hat nichts Spontanes"
Nicht nur der Altar hat gebrannt, sondern auch der Teppich. vn/pem

Seit mehreren Jahren gibt es in der Liebfrauenkirche immer wieder Diebstähle, Plünderungen und Beschädigungen der sakralen Objekte. “Ich fühle mich, als ob wir mit der Luft sprechen würde. Wir sind dankbar, dass sich wichtige Personen des öffentlichen Lebens zu Wort gemeldet haben, aber das sind nur teilweise Personen, die es betrifft”, fügt er noch hinzu. Der Pfarrer sieht zusätzliche Maßnahmen für die Täter als notwendig.

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So sieht es jetzt aus.

Angst wie es weitergeht

Aufgrund der medialen Berichterstattung, bei der die Tat verharmlost wurde, reagierte die serbisch-orthodoxe Kirchengemeinde mit einem offenen Brief. “Ich denke, das Ganze soll und darf man auch nicht zu emotional betrachten. Das war auch nicht der Brief. Ich habe vom ersten Moment an versucht, das Wesentliche hier zu verfassen. Das war nicht die Schändung der Kirche, sondern die Ursache. Und wie sich unsere Gesellschaft entwickelt”, betont Dalibor Balta, Kirchenratspräsident.

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Dalibor Balta (l.) ist Kirchenratspräsident. vn/pem

Zudem hatte die Gemeinde das Gefühl, dass man nicht über Vorarlberger berichtet, sondern am Rande über ein Geschehen, das irgendwo passiert ist. Für ihn ist es unverständlich, was die Kinder zu so einem Verhalten geführt hat. “Wir hatten damals Respekt. Das wird den Kindern eigentlich von Grund auf vermittelt, auch der Respekt gegenüber Älteren”, fügt Balta hinzu.

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Das ist der besagte Kasten, den die Jugendliche auch geplündert haben. vn/pem

In den Beiträgen hätte man das Verhalten der Minderjährigen relativiert und verallgemeinert. “Die Kinder bräuchten Grenzen, aber niemand spricht darüber, was das für welche sind.” Die Gemeinde betont, dass es nicht ihr Vorhaben ist, eine öffentliche Diskussion zu starten, sie wollen lediglich auf die Situation hinweisen. “Man hat gemeint, dass Experten sich einig sind, dass eine Senkung des Strafmündigkeitsalters nichts bringen würde. Aber unsere Nachbarn in der Schweiz sehen es anders, in Deutschland ist die Diskussion darüber auch viel weiter. Also trifft es nicht alle Fachleute.” In der Schweiz ist man bereits ab zehn Jahren strafmündig. Wenn ein 12-Jähriger eine Tat begeht, beurteilen Fachleute vom Gericht die Fähigkeit des Kindes, sowie die Strafmündigkeit, ob es haftbar gemacht werden kann oder nicht. Der Pfarrer Nikola Balovic appelliert daher abermals, dass dazu nicht geschwiegen werden soll. “Wir müssen ein konkretes Zeichen in Richtung Sicherheit und respektvollen Umgang miteinander vertreten”, sagt er. Ebenfalls betont er, dass Kinder sehr wohl zwischen gut und schlecht unterscheiden können: “Dazu benötigt man kein abstraktes Denken. Einen Altartisch in Brand zu setzen, hat nichts Spontanes.” Die Gemeinschaft hofft immer noch auf eine Entschuldigung, besonders seitens der Täter.

"Einen Altartisch in Brand zu setzen, hat nichts Spontanes"
Die serbisch-orthodoxe Kirchengemeinschaft erhofft sich eine Entschuldigung und die Bitte um Verzeihung. vn/pem