“Eine Mama macht das für ihr Kind”

Gerda Heinzle (83) hat einen schwer gehandicapten Sohn. Seit elf Jahren besucht sie ihn jeden Tag im Pflegeheim.
Götzis Gerda Heinzle (83) sitzt neben ihrem Sohn Joachim (57) und hält seine Hand. Seit elf Jahren kommt die Röthnerin jeden Tag ins Pflegeheim „Häuser der Generationen“ in Götzis, um ihren Sohn zu besuchen. Dieser ist schwer gehandicapt und muss künstlich ernährt werden. „Manchmal gibt er mir Zeichen, dass er mich versteht“, ist Gerda über jede Regung ihres Sohnes froh.
Bevor Joachim zum Pflegefall wurde, war er Diabetiker. „Als ich heimkam, lag er ohnmächtig am Boden.“ Nach dem Vorfall fiel ihr Sohn für einige Monate ins Wachkoma. Er schien wach zu sein, zeigte aber keine bewussten Reaktionen. „Inzwischen gibt er mir hin und wieder eine Antwort. Wenn wir den Lift benutzen, drückt er den Knopf. Das zeigt mir, dass er mich versteht“, freut sich die Mutter. Gerda ist sich sicher: „Joachim weiß genau, wer ich bin. Er freut sich, wenn ich zu ihm komme. Dann macht er große Augen.“
“Joachim hat nichts vom Leben”
Sechs Stunden bleibt sie jeden Tag an seiner Seite, von 13.30 bis 19.30 Uhr. „Ich gehe mit Joachim spazieren oder ins Café im unteren Stock. Oft schauen wir uns im Fernseher auch Quizsendungen an.“ Die 83-Jährige fühlt sich wohl an der Seite ihres Sohnes. „Ich bin froh, dass ich zu ihm kommen kann. Er ist allein. Und ich bin allein.“ Die Besuche geben ihrem Leben einen Sinn und halten sie fit. „Ich empfinde es nicht als Belastung. Eine Mama macht das für ihr Kind.“

Gerda hofft, dass sie ihren „Buben“ noch lange besuchen kann. „Das ist mein innigster Wunsch.“ Vom Herrgott, der ihr Halt ist, erhofft sie sich aber noch etwas. „Mir wäre lieber, wenn Joachim vor mir stirbt.“ Der Gedanke, ihr Kind allein zurücklassen zu müssen, wühlt sie auf. Liebevoll tätschelt Gerda ihrem Sohn die Hand. Die Mutter bedauert zutiefst, „dass Joachim nichts vom Leben hat. Ich hingegen durfte mein Leben leben“.
Bis zur Krankheit ihres Sohnes war Gerda viel unterwegs. „Ich habe mit meiner Tante die halbe Welt bereist.“ Die pensionierte Kellnerin ist dankbar, dass sie ein schönes Leben hatte. „Davon zehre ich heute.“ Aber ihr Leben war nicht nur Halli Galli, es trug auch immer wieder Aufgaben an sie heran. Als ihr Ex-Mann, mit dem sie 18 Jahre verheiratet war, krank wurde und Hilfe benötigte, war Gerda zur Stelle. „Über drei Jahre lang habe ich Werner jeden Tag besucht. Auch an seinem Todestag war ich noch bei ihm.“ Die 83-Jährige würde heute wieder so handeln. „Ich bereue es nicht. Werner war der Vater meiner Kinder. Ich bin froh, dass ich das gemacht habe. Ohne mich wäre er zu bedauern gewesen. Denn er hatte sonst niemanden“, sagt die zweifache Mutter und drückt dann ihrem Sorgenkind einen innigen Kuss auf die Wange.