Vorarlberger in Gaza: “Das Leid der Menschen ist nicht in Worte zu fassen”

Christopher Friedrich ist für das Rote Kreuz im Gazastreifen im Einsatz. Den VN hat er von seiner herausfordernden Arbeit erzählt.
Hörbranz Christopher Friedrich hat das unermessliche Leid mit eigenen Augen gesehen, gerade erst ist er von seinem Aufenthalt in Gaza zurückgekehrt. Drei Wochen lang war der Vorarlberger für das Internationale Komitee vom Rote Kreuz (IKRK) im umkämpften Gazastreifen im Einsatz. Der Krieg hat in allen Bereichen seine Spuren hinterlassen. Menschen leben in überfüllten Zeltlagern, überall türmen sich Müllberge. Die Sanitär- und Wasserversorgung ist beinahe komplett zerstört.

Trinkwasseraufbereitung, Sanitärversorgung und Hygiene-Aufklärung gehören seit Jahrzehnten zu den Kernkompetenzen der internationalen Teams des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK). Als Experte mit jahrelanger Erfahrung im Bereich Wasser und Sanitär war Christopher Friedrich in der Stadt Deir al Balah stationiert, um dort für die Verbesserung der Hygiene sowie der sanitären Situation zu sorgen. Friedrich, der bereits seinen Zivildienst beim Roten Kreuz absolviert hat und Erfahrungen beim Wasserforschungsinstitut an der ETH in Zürich gesammelt hat, ist Teil der sogenannten Emergency Response Unit und wurde kurzfristig zu seinem Einsatz im Gazastreifen einberufen. “Ziel war es, den Leuten ein Mindestmaß an Sanitärversorgung zur Verfügung zu stellen, damit sich keine Krankheiten ausbreiten.”

Etwa 2,2 Millionen Menschen leben dort auf einer Fläche, die nicht einmal ein Zehntel der Größe des Burgenlandes umfasst. “Das Leid der Menschen ist nicht in Worte zu fassen”, unterstreicht der 35-Jährige. “Das Ausmaß der Zerstörung ist massiv, es liegt vieles nur noch in Schutt und Asche. Die Menschen haben nicht einmal das Nötigste. Sie haben wenig zu essen und zu trinken, die sanitäre Situation ist eine Katastrophe. ”

Die Bilder sind selbst für erfahrene Rot-Kreuz-Mitarbeiter schwer zu ertragen. “Wir haben während des Einsatzes psychologische Betreuung. Das Rote Kreuz schickt zudem nur Menschen mit viel Erfahrung in die Katastrophengebiete”, erklärt Friedrich. Was ihn zusätzlich motiviert, ist die Dankbarkeit der Menschen im Krisengebiet. “Die Verzweiflung ist groß, trotzdem wird uns Freude und Liebe entgegengebracht, weil sie die Hilfe des Roten Kreuzes sehr schätzen.” Der Gefahr, der er sich selbst aussetzt, ist sich Friedrich durchaus bewusst. “Trotz der enormen Hitze müssen wir die Fenster unserer Unterkunft geschlossen halten, um das Gebäude dunkel zu halten und uns so vor möglichen Angriffen zu schützen. Man ist permanent angespannt, weil man den ganzen Tag Schüsse und Explosionen und Drohnenlärm hört.“

Für Christopher Friedrich war es nicht der erste Einsatz in einem Katastrophengebiet. Der Hörbranzer war unter anderem in Bangladesch für die Analyse von Wasserquellen zuständig. Im Oktober geht es für ihn wieder zurück nach Gaza, diesmal für einen sechswöchigen Aufenthalt. “Ich sehe es ein bisschen als meine moralische Verpflichtung, zu helfen, auch wenn es der anstrengendste Einsatz war, den ich jemals gemacht habe. ”

Mit schwierigen Bedingungen hat Christopher Friedrich auch in seiner Freizeit zu tun. Sein liebstes Hobby ist das Freitauchen, wo er Teil des Österreichischen Nationalteams ist und viele Erfolge in nationalen und internationalen Wettkämpfen errungen hat. “Bei mir dreht sich alles um Wasser – das ist mein Metier, sowohl beim Roten Kreuz, als auch in meiner Freizeit.”
Christopher Friedrich
Geboren: 17. Juli 1989 in Bregenz
Wohnort: Wien, aufgewachsen in Hörbranz
Ausbildung, Laufbahn: Zivildienst beim Roten Kreuz, Studium Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der BOKU Wien, Master Umweltwissenschaften in Schweden, Bei der Eawag in Zürich tätig (Fokus auf Sanitärversorgung in Flüchtlingslagern und Katastrophengebieten)
Familie: in einer Beziehung
Hobbys: Freitauchen (Mitglied im Österreichischen Nationalteam), Kraft- und Ausdauersport