Marianne und Herbert verblüffen Passanten mit einem Schild vor ihrem Haus

Ein Schild auf der Hausbank eines Hörbranzer Paares lädt zum Verweilen und Klingeln an ihrer Haustür ein. Das anfängliche Erstaunen der Passanten ist jedoch immer wieder der Anfang für rührende Begegnungen.
Von Katja Grundner
Hörbranz Eine Holzbank mit einem außergewöhnlichen Schild steht vor einem Haus mit blaugrauen Fensterläden an der Lindauer Straße in Hörbranz. Darauf steht: „Hier dürfen Sie sich getrost ausruhen. …wenn Sie bei ‘Fessler’ klingeln und jemand zu Hause ist, bekommen Sie auch gerne ein Tässchen Kaffee, ein Glas Wasser und vielleicht ein Schwätzchen mit Marianne.“

Eine Trotzreaktion mit positiver Auswirkung
Mariannes Mann Herbert hat ihr die Bank vor über sieben Jahren zum Geburtstag geschenkt. Auf die Idee für das angebrachte Schild kam er bei einer Wanderung, wo er an einem Haus mit einer Bank vorbeispazierte, aber Passierende mit einem „Betreten verboten“-Schild auf Distanz gehalten wurden. „Da habe ich mir gedacht, warum? Wovor haben die Leute Angst? Das Schild für Marianne war dann eigentlich eine Art Trotzreaktion“, sagt Herbert schmunzelnd.

Die Bank und das Schild haben den zwei Pensionisten schon viele schöne Begegnungen beschert. Zum Beispiel gab es ein älteres Pärchen aus Hörbranz, das sich beim Vorbeigehen regelmäßig auf die Bank gesetzt hat. „Nachdem ihr Mann gestorben ist, habe ich gemerkt, dass sie nicht mehr kommt. Also habe ich sie daheim besucht und herausgefunden, dass sie krank war und nicht mehr aus dem Haus gehen konnte“, erzählt Marianne. Durch die Bank mit dem Schild war eine Verbundenheit entstanden, in der zwei ehemals Fremde plötzlich im intimen Kern eines Zuhauses zusammenkamen.
Neugierde an einer Kuriosität
„Wirklich anklingeln tun erstaunlich wenig. Zwei, drei Leute pro Jahr“, sagt Herbert. Vermutlich deshalb, weil einem das Klingeln an einer fremden Haustür trotz willkommen heißender Worte wie ein Übertritt der Privatsphäre vorkommt. „Manche klingeln auch nur um zu fragen, ob es wirklich wahr ist, was da steht“, erzählt der 73-Jährige weiter. „Die können es kaum glauben und wollen die Leute kennenlernen, die so eine kuriose Bank draußen stehen haben.“ Dass sich Passanten mit Freude auf der Bank niederlassen oder ein Foto davon schießen, haben die Fesslers hingegen schon oft beobachtet.

Kenia-Eindrücke beleben Hörbranz
Marianne und Herbert haben sich in den 80er Jahren in Kenia kennengelernt, wo er fünf und sie vier Jahre als Entwicklungshelfer gearbeitet hat.
“Dort trau ich dem anderen von Anfang an, bis man mir das Gegenteil beweist. Bei uns ist es oft umgekehrt. Hier trau ich einem erst, wenn man mir zeigt, dass man vertrauenswürdig ist.”
Herbert Fessler
Der leidenschaftliche Handarbeiter war am Fuße des Kilimandscharos als Lehrer für Maschinenbautechnik tätig. „Ich glaube, dass man von einem längeren Auslandsaufenthalt viel mitnimmt. Man hat nicht mehr so eine Scheu von dem Fremden. Man selbst ist dort der Fremde.“ Ein Unterschied zwischen der kenianischen und österreichischen Kultur ist für den Hörbranzer, dass dort das Grundvertrauen und hier das Selbstvertrauen größer ist. „Dort trau ich dem anderen von Anfang an, bis man mir das Gegenteil beweist. Bei uns ist es oft umgekehrt. Hier trau ich einem erst, wenn man mir zeigt, dass man vertrauenswürdig ist.“ Das Schild in Hörbranz zeigt, dass Herbert einige Auslandserfahrungen in sein Elternhaus in Vorarlberg miteingeflochten hat.


Marianne arbeitete in ihrer Zeit in Kenia als Krankenschwester im Massai-Gebiet. Viele Einheimische kannten die gebürtige Oberösterreicherin aufgrund ihres Berufes und besuchten sie zu Hause. „Oft sind alte Frauen zu mir gekommen, die lange gegangen sind und schwer getragen haben. Dann habe ich ihnen einen Tee gegeben. Von manchen habe ich im Gegenzug zum Beispiel Milch oder Teeblätter bekommen“, erzählt die 65-Jährige. Ein reger Austausch mit Fremden ist also nichts Neues für sie. Die Bank mit dem Schild in Hörbranz ermöglicht ihr auch jetzt noch neue, interessante Begegnungen, die ihr viel Freude bereiten.


Zu den Personen:
Geboren: Marianne am 21. Juli 1959. Herbert am 18. September 1951.
Wohnort: Hörbranz
Hobbys: Wandern, Radfahren, am Haus und im Garten werken
Ausbildung: Marianne – Krankenschwester, Herbert – Maschinenbautechniker und Sozialarbeiter