Ein Halt gebender Anker für Jugendliche zu Weihnachten

Die Jugendnotschlafstelle „anker“ in Dornbirn ist ein Zufluchtsort für Jugendliche in schwierigen Lebenslagen. Gewalt, Drohungen und Ausbeutung sollen hier zu Weihnachten in den Hintergrund rücken.
Von Katja Grundner
Dornbirn 837 Übernachtungen wurden letztes Jahr in der Jugendnotschlafstelle anker in Dornbirn verzeichnet. Darunter Jugendliche, die vor Zwangsheirat flüchten, wegen Homosexualität nicht in der Familie akzeptiert werden, oder unter emotionaler Verwahrlosung leiden. Auch zur Weihnachtszeit wird in der Notschlafstelle viel los sein. Die Leiterin Tatjana Tschabrun und der stellvertretende Leiter Lukas Gstrein erzählen, wie sie notleidende junge Menschen Schutz und ein familiäres Umfeld zu Weihnachten bieten.

Schlafplatz gegen sexuelle Dienstleistungen
Beim anker erhalten Jugendliche und bei freien Kapazitäten auch junge Erwachsene bis 21 Jahren einen Schlafplatz und Grundversorgungsangebote. Hier können sie sich duschen, Kleidung waschen und etwas Warmes essen. Weibliche Personen kommen deutlich weniger als männliche. „Junge Frauen und Mädchen brauchen im Verhältnis länger, bis sie Notquartiere aufsuchen, weil sie vorher noch Alternativen ausschöpfen. Zum Beispiel Zweckbeziehungen, bei der sie einen Schlafplatz gegen sexuelle Dienstleistungen tauschen. Oder gegen Gefälligkeiten wie Hausarbeit“, erklärt Tschabrun. Weitere Gründe sind, dass sie Situationen länger erdulden und Gewalt eher gegen sich selbst richten.


Drohungen und Gewalt
Gründe für das Aufsuchen der Notschlafstelle sind sehr unterschiedlich. „Es ist nicht immer Gewalt im Spiel. Manchmal sind es einfach familiäre Konflikte und unerträgliche Drucksituationen“, sagt Tschabrun. Aber drastische Schicksale bleiben nicht aus. Es gibt zum Beispiel Betroffene, die sich gegen das Verschleiern der Haare oder Zwangsheiraten sträuben. Manchmal müssen diese fürchten, ins Ausland geschickt zu werden. „Wenn in solchen Situationen Verwandte mit ihnen in den ‚Urlaub‘ fahren wollen, könnte das bedeuten, dass sie nicht mehr zurückkommen. Wir zeigen ihnen, wie sie sich schützen können“, meint die Leiterin.

Gstrein erzählt von einem 15-jährigen Jungen, der sich zu seiner Homosexualität bekannt hat, wonach ihm seine Mutter mit physischer Gewalt drohte. Er kam für sieben Nächte in die Notschlafstelle und danach in eine betreute Wohneinrichtung, wo er wegen Drogenkonsums bald hinausflog. Das führte ihn in prekäre Wohnsituationen, bei denen er auf der Couch von Bekannten unterkam. Wobei man ein Abhängigkeitsverhältnis mit gewissen Gefälligkeiten nicht ausschließen kann. Der 15-Jährige kämpfte auch mit Mobbing und Schulproblemen und kam mehrmals in den anker zurück. Mittlerweile ist er wieder in einer Wohnversorgung der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht.

Junge Menschen können sich im Vorfeld an den anker wenden und ein kostenloses Öffi-Ticket zur Institution erhalten. “Ma hilft“ unterstützt dieses Angebot mit einer Spende, um den Jugendlichen das sorglose Ankommen beim anker zu ermöglichen.
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Emotionalität zu Weihnachten
Es gibt Betroffene, die einst im Anker waren und seitdem auch ohne konkreten Bedarf auf Besuch vorbeikommen. Oder den Betreuern eine Dankkarte und Schokolade schenken. Auch zu Weihnachten sind ehemalige Betroffene willkommen. „Unsere Weihnachtsbescherung ist immer super“, betont Tschabrun. Der anker nimmt an der gemeinnützigen Wichtel-Challenge teil, bei der sich sozial benachteiligte Menschen Geschenke wünschen können. „Es werden eigentlich immer alle Wünsche erfüllt“, versichert sie. „Es gibt Situationen, in denen Jugendliche sagen, dass sie zu Weihnachten noch nie zuvor ein Geschenk bekommen haben“, fügt Gstrein hinzu. „So etwas fällt mir schwer zu hören. Die freuen sich dann unglaublich über ein kleines Geschenk. Das ist sehr emotional für mich.“

So können Leserinnen und Leser helfen:
Kleiderspenden auf Anfrage: Der anker braucht immer wieder spezifische Kleidungsstücke wie Jogginghosen, Pullover, Regenjacken, usw. Hierfür sollen Spender bei der Notschlafstelle über Instagram, Telefon oder E-Mail anfragen, was gerade gebraucht wird.
Gutscheine: Der anker nimmt auch Gutscheine für Schuhgeschäfte oder den Messepark an.
Geldspenden: Diese fließen unter anderem in die Finanzierung von VVV-Tickets. Für die Anfahrttickets, aber auch für längerfristige Tickets, um Verschuldung durch Schwarzfahren zu verhindern.