„Es kann ein Erfolg sein, dass jemand in einer geheizten Wohnung im eigenen Bett stirbt, anstatt auf der Straße.“

Menschen / 20.12.2024 • 09:25 Uhr
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Wohnungslosigkeit wird oft als männliches Phänomen angesehen, doch viele Frauen sind von „verdeckter Wohnungslosigkeit” betroffen. VN/Paulitsch

Von Wohnungslosigkeit betroffene Frauen gehen oft problematische Abhängigkeitsverhältnisse mit Männern ein, um nicht auf der Straße zu landen. Der Verein DOWAS in Bregenz steuert dem entgegen.

Von Katja Grundner

Bregenz Viele gehen davon aus, dass Wohnungslosigkeit vor allem Männer betrifft. Die „verdeckte Wohnungslosigkeit“ von Frauen bleibt oft unberücksichtigt. Dabei werden prekäre Lebenssituationen eingegangen, um nicht auf der Straße zu landen. „Ist der Wohnraum für Frauen bedroht, geraten sie oft in Abhängigkeitsverhältnisse, in denen Männer Wohnraum gegen sexuelle Dienstleistungen zur Verfügung stellen“, erklärt Sozialarbeiterin und Frauenbeauftragte Eva Müller vom DOWAS. Der Verein bietet eine Notschlafstelle, ein Tageszentrum, Beratungsangebote und betreute Wohnformen in Bregenz an. „Die Wohnungslosenhilfe ist stark männlich dominiert, was Frauen verdrängt. Aber seit 2022 legt DOWAS verstärkt den Fokus auf diese Gruppe“, sagt Geschäftsführer Ferdinand Koller.

Arbeit von Dowas und weibliche Obdachlosigkeit in V
Eva Müller und Ferdinand Koller im Eingangsbereich der Beratungsstelle. VN/Paulitsch

Frauenspezifische Angebote

Da Frauen in prekären Wohnsituationen häufig Opfer von Gewalt sind, nehmen viele davon den mischgeschlechtlichen Verein nicht als sicher wahr. „Für die temporäre Akutversorgung bräuchte es eine eigene Einrichtung ohne Männer“, macht Koller klar. Ein gänzlich neues Konzept dafür ist gerade erst in den Startlöchern. Aber wichtige Veränderungen gibt es im DOWAS schon jetzt. Zum Beispiel durch gendersensible Fallzuweisungen und genügend weibliches Personal. Es wird auch eine “positive Diskriminierung” angewendet, bei der Frauen in bestimmten Situationen eine bewusste Bevorzugung erhalten.

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Müller macht auf die frauenspezifischen Plakate im DOWAS aufmerksam. VN/Paulitsch

Außerdem gibt es gratis Damenhygieneartikel. Diese stehen vor dem Beratungszimmer zur freien Entnahme bereit. Es werden nicht nur Ein-, sondern auch Mehrweghygieneartikel angeboten. Dank einer Spende von “Ma hilft” wird nun auch im Tageszentrum eine Entnahmestelle für Damenhygieneartikel eingerichtet, damit möglichst viele Frauen davon profitieren.

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Hygieneartikel für Frauen stehen zur freien Entnahme in der Beratungsstelle bereit. VN/Paulitsch

2023 gab es bei DOWAS einen 30-prozentigen Frauenanteil – deutlich mehr als in den vorherigen Jahren. „Ich hoffe, der Grund dafür ist unser Bemühen, Frauen mit unseren Angeboten besser zu erreichen“, sagt Koller.   

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Trotz Arbeit keinen gesicherten Wohnplatz

„Der Wohnungsmarkt ist in Vorarlberg generell angespannt, aber vor allem für unsere Nutzerinnen und Nutzer ist es ganz schwierig“, meint Müller. „Weil Menschen mit Sozialhilfe am privaten Wohnungsmarkt gar keine Chance haben. Es gibt viel zu wenig gemeinnützige Wohnungen“, ergänzt Koller.  

Zahlen vom Jahr 2023

Nutzer der DOWAS-Angebote: rund 1300, davon 30,7% Frauenanteil

Nutzer der Notschlafstelle: knapp 230, davon 18,5% Frauenanteil

Nutzer von DOWAS haben unterschiedliche Einkommensquellen: zum Beispiel Sozialhilfe, Wohnbeihilfe oder AMS-Bezug. „Aber immer mehr arbeiten und trotzdem geht es sich zum Leben nicht aus“, äußert Müller. „In der Beratungsstelle haben wir ‚normale‘ Familien, die schlecht bezahlte Jobs haben, aber wegen der hohen Wohnkosten und gestiegenen Lebenshaltungskosten mit dem Geld einfach nicht mehr auskommen“, fügt Koller hinzu.   

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In der Beratungsstelle werden Betroffene individuell unterstützt. VN/Paulitsch

Viele Arten von Erfolg

Erfolg ist in einer Institution wie DOWAS nicht immer leicht messbar. Manchmal gilt es bereits als Erfolg, eine Beziehung mit den Nutzern aufzubauen und zu halten. Oder dass es jemand ohne Dokumente schafft, einen Reisepass zu erhalten. „Es kann auch ein Erfolg sein, dass jemand in einer geheizten Wohnung im eigenen Bett stirbt, anstatt auf der Straße“, führt Koller aus. Er berichtet von einer 18-jährigen Frau, die bereits in der Kinder- und Jugendhilfe mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte und häuslicher Gewalt durch ihren Partner ausgesetzt war. Manchmal musste sie sogar im Keller nächtigen. „Als Volljährige kam sie zu uns in der Notschlafstelle, danach ins betreute Wohnen und jetzt wohnt sie in einer eigenen gemeinnützigen Wohnung“, erzählt Koller. „In diesem Fall ist sehr viel gelungen.“

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Koller und Müller im Tageszentrum. VN/Paulitsch

So können Leserinnen und Leser helfen:

Geldspenden: Diese werden u.a. verwendet für Damenhygieneartikel, kleine Geld-Soforthilfen (z.B. für Lebensmittel), Mobilität (VVV-Tickets) und Kommunikation (Handyguthaben, damit sich Personen möglichst selbstständig um Angelegenheiten kümmern können).

Sachspenden: Kleidung und Schuhe werden u.a. viel gebraucht. Aufgrund von beschränkter Lagerkapazität und speziellen Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer, soll man diesbezüglich DOWAS kontaktieren.