Der lange übersehene Meister aus Feldkirch

Kultur / 31.07.2025 • 14:46 Uhr
Erich Ess
Die Ausstellung im Rohnerhaus kann am kommenden Sonntag bei freiem Eintritt besucht werden. rohnerhaus

Ausstellung im Lauteracher Rohnerhaus mit Werken von Erich Ess.

Lauterach Er malte, ohne sich dem Markt anzubiedern. Er lehrte, ohne je laut zu werden. Und er hinterließ ein Werk, das nun, Jahre nach seinem Tod, erstmals in seiner ganzen Breite sichtbar wird. “Kunst im Rohnerhaus” in Lauterach widmet dem Vorarlberger Maler eine umfassende Werkschau. Es ist eine späte, aber umso eindrücklichere Entdeckung, die am kommenden Sonntag bei freiem Eintritt erlebt werden kann. Erich Ess wurde 1929 in Feldkirch geboren und studierte ab 1948 an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Albert Paris Gütersloh, Ferdinand Elsner und dem Bildhauer Fritz Wotruba. Früh verband ihn ein Interesse für die Struktur der Form, für die Reduktion, für das Wesentliche. Parallel zur Akademie belegte er morphologische Seminare bei Heimo Kuchling, eine intellektuelle Auseinandersetzung mit der Form, die sein gesamtes Schaffen begleiten sollte. Er kehrte nicht dauerhaft nach Vorarlberg zurück. Stattdessen lebte er in Wien, arbeitete in der Werbung, illustrierte und gestaltete Zeitschriften. Später wurde er Professor an der Hochschule für Gestaltung in Linz, wo er bis 1998 unterrichtete.

Erich Ess
Aus dem Atelier von Erich Ess. rohnerhaus

Immer wieder zog es ihn auch nach Südfrankreich in sein Atelier in Vence oder nach Japan, wo er sich über längere Zeit in Zen-Klöstern aufhielt. Er war ein Weltbürger der Stille, der stets auf der Suche nach Reduktion, Konzentration und innerer Form war. Sein Werk ist keiner Richtung, keiner Schule und keiner Mode verpflichtet. Er war kein Expressionist, kein Abstrakter, kein Surrealist – und doch war er all das in Nuancen. Er malte, was ihn beschäftigte: Akte, oft weiblich, die er nie voyeuristisch, sondern mit stiller Präsenz darstellte. Innenräume, Tische, Stühle, Fensterblicke. Gesichter, häufig schemenhaft, aber immer mit Würde. Er bevorzugte gedeckte Farben, sparte mit Linien und überließ Fläche und Stille den Raum.

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In manchen Bildern findet sich eine meditative Spannung, die vielleicht von seinen Zen-Erfahrungen beeinflusst wurde, in anderen eine fast erzählerische Intimität. Was all seinen Arbeiten gemeinsam ist, ist der Respekt vor dem Motiv. Nichts wird ausgestellt, nichts überhöht, nichts kommentiert. Erich Ess war ein Maler der stillen Wahrnehmung. Zu Lebzeiten zeigte Ess nur selten aus. Er war kein Netzwerker, kein Selbstdarsteller und kein Marktstratege. Viele seiner Werke blieben im Atelier und wurden kaum verkauft oder veröffentlicht. Erst jetzt, mehr als zwei Jahre nach seinem Tod im Dezember 2022, beginnt sich das Bild zu fügen. Seine Tochter Carla Ess hat in Zusammenarbeit mit dem Kurator Simon Schreibelmayr das Gesamtwerk ihres Vaters gesichtet, katalogisiert und aufgearbeitet.

Erich Ess
Alwin Rohner und Kurator Simon Schreibelmayr. rohnerhaus

Das Ergebnis ist eine Retrospektive unter dem Motto „Journey into the Unknown – Erich Ess und Künstlerfreunde“ im Rohnerhaus in Lauterach, das für solche Wiederentdeckungen der ideale Ort ist. Erich Ess war nie ein Unbekannter im wörtlichen Sinn, aber er war ein Übersehener. Diese Ausstellung gibt ihm nun die Bühne, die sein Werk verdient: ein spätes, berührendes Wiedersehen und ein Entdecken, das bleibt.