“Mama, ich will wieder Motorrad fahren”

Menschen / 27.10.2025 • 12:44 Uhr
"Mama, ich will wieder Motorrad fahren"
Die Lebensfreude ist wieder zurück. Julia Schneider mit ihrer Hündin Pina.

Julia Schneider (26) verunglückte bei ihrem liebsten Hobby, dem Motorradfahren. Seither lebt sie mit einer Behinderung.

Bregenz Julias Vater, Erwin Schneider, fährt seit vielen Jahren Motorrad. “Als Kind saß ich bei seinen Motorradausflügen auf dem Sozius”, erinnert sich Julia (heute 26) gerne an diese Zeit. Als Julia den Autoführerschein machte, war es für sie selbstverständlich, dass sie auch den Motorradschein erwarb. “Letzteres habe ich meiner Mama verschwiegen, sie hätte sich sonst nur Sorgen gemacht.” Dann kam der Tag, an dem sich die junge Allgäuerin ein Motorrad anschaffte und dem örtlichen Motorradclub beitrat. “Ab da bin ich jede freie Minute auf dem Motorrad gehockt.” Gemeinsam mit ihren Kumpels machte die Krankenschwester, die im Spital in Bregenz arbeitete, ausgiebige Touren mit dem Bike. “Beim Motorradfahren fühle ich mich frei und unbeschwert. Da kann ich den Alltag ganz hinter mir lassen”, schwärmt sie von ihrem Hobby.

"Mama, ich will wieder Motorrad fahren"
Julia fährt wieder Motorrad – mit einer behindertengerechten Maschine.

Der 17. Juni 2023 wurde für Julia zum Schicksalstag. An diesem Tag war sie mit ihrer Maschine auf dem Weg zu ihrer Mutter. In Langen bei Bregenz wurde sie auf einer Kreuzung frontal von einem Auto erfasst. In der Folge prallte die Bikerin mit dem Motorrad gegen einen Baum.” Die Autofahrerin übersah mich. Sie war schuld an dem Unfall.” Julia verlor für einige Minuten das Bewusstsein. “Als ich aufwachte, hatte ich am Rücken und am Bauch starke Schmerzen.” Der Rettungshubschrauber brachte sie ins Landeskrankenhaus Feldkirch.

"Mama, ich will wieder Motorrad fahren"
Julia strahlt inmitten eines Sonnenblumenfeldes lebensfroh in die Kamera.

Julia erlitt bei dem Unfall lebensgefährliche Verletzungen. “Die Ärzte teilten meinen Eltern mit, dass es nicht sicher ist, dass ich überlebe.” Julia kam trotz schwerer innerer Verletzungen mit dem Leben davon, aber die Diagnose war verheerend: eine Querschnittslähmung, die ihr Leben völlig veränderte. In einer Spezialklinik in Murnau (Deutschland) und in der Reha-Klinik in Bad Häring lernte sie, mit der Behinderung umzugehen. “Heute kann ich fast alles selbst machen, nur Fensterputzen geht nicht”, erzählt sie lächelnd.

Julia geht es wieder gut. “Ich bin dankbar, dass ich noch am Leben bin. Aber es brauchte Zeit, bis ich wieder Freude am Leben hatte.” Zuerst fiel sie in ein Loch. “Es gab Momente, in denen ich nicht mehr leben wollte. Ich bezweifelte, dass man mit so einem körperlichen Leiden je wieder Spaß haben kann.” Anfangs hatte sie starke Schmerzen und konnte die Beine nicht bewegen. “Ich spürte sie nicht. Heute schaffe ich es, auf Krücken zu gehen.” Eine große Stütze war für sie ihre Mutter. “Mama war fast jeden Tag bei mir. Sie hat meine Hand gehalten und mir Mut gemacht. Immer wieder beteuerte sie: ‚Du bist nicht allein, Julia. Wir schaffen das zusammen.‘”

"Mama, ich will wieder Motorrad fahren"
Julia Schneider mit ihren Eltern Heike und Erwin Schneider bei der Verleihung des Vorarlberger Pflegeawards im Mai dieses Jahres. Der Pflegeaward wird an Personen oder Teams verliehen, die im Pflege- und Betreuungsbereich in Vorarlberg außergewöhnliches Engagement zeigen.

Seit ein paar Monaten arbeitet Julia wieder. Den Pflegeberuf kann sie jedoch nicht mehr ausüben. “Jetzt mache ich im Spital in Bregenz die EKGs.” Der Job gefällt der 26-Jährigen. “Ich bin froh, dass ich wieder arbeiten kann und dass ich mit Menschen zu tun habe.” Nicht nur der Beruf, sondern auch ihr Partner Raphael macht sie glücklich. “Vor dem Unfall waren wir befreundet. Jetzt sind wir ein Paar. Raphael hat mich oft besucht im Spital. Ihm macht es nichts aus, dass ich auf den Rollstuhl angewiesen bin.” Und noch etwas macht sie glücklich. “Vor drei Wochen bin ich zum ersten Mal wieder Motorrad gefahren, mit einem behindertengerechten Bike. Es war wunderschön.” Lächelnd erinnert sich Julia an ihre ersten Worte nach dem Aufwachen auf der Intensivstation. “Mama, ich will wieder Motorrad fahren.”