Trunkenheit am Ruder wird zu Grundsatzfrage

Bei der Frage, nach welchem Gesetz nun ein alkoholisierter Bootsführer zu bestrafen ist, treffen Rechtsgrundsätze aufeinander.
Bregenz Gilt auf dem Bodensee nur die Bodensee-Schifffahrtsverordnung (BSO) oder auch das Schifffahrtsgesetz (SchFG) der Republik Österreich? Diese Frage beschäftigte das Landesverwaltungsgericht, als einem Bootsführer das Schifferpatent aus seiner Sicht widerrechtlich entzogen wurde.
Der Vorarlberger war mit einem Motorboot im Bereich Obersee-Überlinger See des Bodensees, als er bei laufendem Motor und gelichtetem Anker von der deutschen Wasserschutzpolizei kontrolliert wurde. Dabei wurde ein deutlicher Atemalkoholgeruch festgestellt, eine in Konstanz durchgeführte Blutentnahme ergab 1,7 Promille. Dafür wurde im Sommer 2022 vom Amtsgericht Konstanz wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Strafe von 4800 Euro verhängt. Und die Bregenzer Bezirkshauptmannschaft entzog ihm am 20.02.2023 das Schifferpatent für 16 Monate aus demselben Grund. Dagegen erhob er Beschwerde, dies sei so in der BSO nicht vorgesehen, die Strafe zu lang und entspreche einer Doppelbestrafung.
Der Bodensee ist ein rechtliches Unikum: Es gibt im Obersee keinen Grenzverlauf zwischen den drei Anrainerstaaten. Diese arbeiten in der Gesetzgebung seit bald 150 Jahren eng zusammen. Und ob nun der „Hohe See“ unter den drei Staaten aufgeteilt wird oder von den drei Staaten gemeinsam verwaltet wird, bleibt Auslegungssache. Daraus resultiert aber besagte BSO. Und diese sieht in Paragraf 12.08 die Einschränkung durchaus vor. Eine zeitweise Entziehung ist damit denkbar, wie oder für wie lange das Schifferpatent eingeschränkt werden kann, ist nicht deklariert.
Strafe verkürzt
Hier könnte die Geschichte enden, wäre da nicht besagtes Binnenschifffahrtsgesetz. Einzelne Paragrafen des SchFG gelten dezidiert auch für den Bodensee, etwa Paragraf 125 zur vorläufigen Aussetzung einer Befähigung, wie es in diesem Fall geschehen ist. Dieser sieht vor, dass bei Erstvergehen von Alkohol am Ruder die Befähigung nur für sechs Monate zu entziehen ist. Dies wird vom Gesetzgeber mit der Absicht der Vereinheitlichung der Regelungen erklärt, wie es eine EU-Vorgabe fordert. Paragraf 126, zur endgültigen Entziehung, gilt demnach explizit nicht für den Bodensee. Dementsprechend senkte das Landesverwaltungsgericht die Strafe von 16 Monaten auf ein halbes Jahr.
Dieses Urteil lässt aber neue Fragen offen, räumt das Gericht ein. Schließlich ersetzt hier ein allgemeingültiges Gesetz für alle Gewässer ein spezifisches Gesetz für einen bestimmten See. Das ist so in der Rechtspflege eigentlich nicht die Norm, das speziellere Gesetz übertrumpft die Allgemeinregel (lex specialis derogat legi generali). Gleichzeitig übertrumpft das neuere Gesetz, die SchFG, die älteren Gesetze (lex posterior derogat legi priori). Eine Revision ist damit zulässig, damit sich das Höchstgericht mit der Frage beschäftigen kann, ob nun bei Alkohol am Ruder auf dem Bodensee für österreichische Bootsbesitzer die BSO oder die SchFG gilt.