Vorarlberger Holzbaukunst in Berlin: Zartes Geflecht unter Bäumen

29.07.2023 • 07:00 Uhr
Schwebender Pavillon zwischen alten Bäumen: Das eingeschoßige Umweltbildungszentrum ist auf 75 Zentimeter Höhe aufgeständert. Hinter dem Schirm aus Weißtanne lässt sich das Kerngebäude erahnen.

Der neunzig Hektar große Britzer Garten am Rand von Berlin wurde für die Bundesgartenschau 1985 als Landschaftspark angelegt und hat diesen Charakter bis heute behalten.

Text: Claudia Rinne, Fotos: Roland Wehinger

So alt wie der Britzer Garten war auch ein Glashaus, das nach seiner Zeit als Ausstellungspavillon dem Verein Freilandlabor Britz als Treffpunkt, Veranstaltungsraum und Ausgangspunkt für Exkursionen diente. Dieser Verein richtet seine Angebote zu Themen der Umweltbildung in erster Linie an Kinder und Jugendliche. Nach 30 Jahren sollte das Glashaus durch einen winterfesten Neubau ersetzt werden.

Vorarlberger Holzbaukunst in Berlin: Zartes Geflecht unter Bäumen
Das Flechtwerk aus Rundholzstäben zieht sich wie ein Band um die innere Fassade, die im Norden geschlossen, im Süden komplett, sonst teilweise verglast ist.
Vorarlberger Holzbaukunst in Berlin: Zartes Geflecht unter Bäumen


Der Parkbetreiber lud drei Architekturbüros aus Berlin und eines aus Vorarlberg ein, Ideen und erste Planungsansätze für ein modulares Umweltbildungszentrum mit möglichst geringem ökologischen Fußabdruck zu erarbeiten. Wie es zu der Einladung kam, ist gar nicht mehr herauszufinden. Tatsache ist, dass eine multidisziplinäre Jury das einzige nicht aus Berlin stammende Konzept zur weiteren Bearbeitung empfahl: So wurde das Büro HK Architekten aus Schwarzach mit Planung und Bau beauftragt. Beim Lokalaugenschein ist auch das neue Umweltbildungszentrum bereits durch einige Winter geprüft. Sein Weißtannenholz ist silbrig geworden, dadurch fügt sich die Struktur nur noch besser in die Umgebung ein. Der Hauptweg der großen Parkrunde führt von Norden auf das Gebäude zu, biegt um seine Südwestecke und führt weiter nach Osten. Kommt man auf das Gebäude zu, sieht man unter den Baumkronen eine Struktur aus Rundhölzern, die aus der schwebenden Bodenplattform aufragen und wie ein Geflecht wirken. „Ein filigranes Nest im alten Baumbestand“
nennen es die Architekten.


Hinter diesem Schirm aus Rundhölzern kann man das ganze Kerngebäude unter Dach umrunden. Das haben vor allem Kinder und Jugendliche entdeckt. Sie laufen, skaten oder rollern im Kreis immer wieder an der fast geschlossenen Nordfassade entlang, um die Ecke an den bodentiefen Bürofenstern im Osten vorbei — viele von ihnen kennen wir schon recht gut und wir winken uns, sagt eine Mitarbeiterin des Freilandlabors. Dann laufen sie vorbei am Hinterausgang der breiten Mittelgangerschließung und weiter zur Südfassade, die eine einzige, von drei kräftig gerahmten Türen und wenigen fein dimensionierten Stützen unterbrochene, raumhohe Glasfläche ist, welche um die Südwestecke herumgezogen wurde und über zwei Drittel der Westfassade fortgesetzt ist.

Vorarlberger Holzbaukunst in Berlin: Zartes Geflecht unter Bäumen
Nachwachsende Rohstoffe, Luft-Wärmepumpe und Dachbegrünung minimieren ihn nachhaltig. Der hohe Vorfertigungsgrad impliziert kurze Aufbauzeit, auch das schont das Umfeld.
Vorarlberger Holzbaukunst in Berlin: Zartes Geflecht unter Bäumen

Vor der Westfassade ist der Schirm unterbrochen und der Weg doppelt so breit, eigentlich ein kleines Podium, denn es kommt zuerst der Eingang in das Foyer mit den Ausstellungen und einem dritten Büroplatz, dann der doppelflügelige Haupteingang in den breiten Mittelflur. Das letzte Drittel der Westfassade ist schon wieder geschlossen und beschirmt, es kündigt den Weg entlang der Nordfassade an, in den voll Schwung sogleich wieder eingebogen wird. Die Betreiber lassen sich nicht stören: Das Haus wird eben auch auf diese Weise geliebt, Hauptzielgruppe erreicht. Viel größer war die Sorge, dass die gerne etwas ungebärdige Berliner Jugend an den Diagonalstäben emporklettern würde. Das wurde aber nicht einmal versucht. Stellte der größere Reiz des Rundlaufs den kleineren ins Aus? Vögel allerdings lassen sich durch den Schirm von nichts abbringen. Jede Öffnung, durch die eine Faust passt, ist für sie groß genug, um flott hindurch zu fliegen. Daher verhindert ein zarter Nadelstreif auf den Glasflächen Kollisionen. Er verläuft horizontal, so wie die Schalung aus Weißtanne an den massiven Abschnitten der Fassade, hinter denen die Räume für die Infrastruktur liegen.

Vorarlberger Holzbaukunst in Berlin: Zartes Geflecht unter Bäumen
Beschirmt von Rundhölzern und dem Dach kann man das ganze Kerngebäude umrunden. Meistens laufen die Kinder im Uhrzeigersinn und beginnen ihren Parcours entlang der geschlossenen Nordfassade.


Dass es zwei Zugänge gibt, einen direkt in den breiten Mittelgang und einen anderen über das Foyer mit den Ausstellungen, erleichtert den Betrieb erheblich. Gruppen, die zu Veranstaltungen kommen, können so leicht von den immer willkommenen Spontanbesuchern getrennt werden. Der Seminarraum kann zweigeteilt, aber auch bis zum Stabgeflecht vor der Südfassade erweitert werden, indem man die Glastüren öffnet. Aber eigentlich reicht er ohnedies bis in den Landschaftsgarten hinein, da die Transparenz des Vorgängerbaus auf so differenzierte und nachhaltige Weise in die Moderne transponiert wurde. Als der Schafzüchterverein wieder einmal hier tagte, war das Wetter miserabel. Vor dem Fenster dennoch ein Idyll: Draußen weideten die Schafe. Man blickte aus der wohligen Wärme zu ihnen hinaus und alle waren sich unmittelbar einig: So ein schöner Platz hier.

Vorarlberger Holzbaukunst in Berlin: Zartes Geflecht unter Bäumen
Im Foyer gibt es Ausstellungen zu wechselnden Themen. Gleichzeitig bildet es eine Schleuse zum breiten Mittelgang, der alle anderen Räume des Umweltbildungszentrums erschließt.

Daten und Fakten

Objekt Umweltbildungszentrum Britzer Garten, Berlin

Bauherr Grün Berlin, Berlin

Architektur HK Architekten, Schwarzach

www.hkarchitekten.at

Statik merz kley partner ZT, Dornbirn

www.mkp-ing.com

Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: ITV, Berlin; Elektro: PEZ, Berlin; Landschaftsarchitektur: plancontext, Berlin; Bauphysik: WSS, Frastanz; Brandschutz: DI Hans Ulrich Voigt, Berlin

Wettbewerb 2014

Ausführung 2017

Nutzfläche 268 m²

Bauweise Schwebender Pavillon; Holzrahmenbau aufgeständert; Horizontalschalung, Decke und Diagonalstäbe Weißtanne; Innenwände Gipskartonverkleidung; Böden geschliffener Zementestrich; Heizung: Luft-Wärmepumpe

Besonderheiten Durch hohen Vorfertigungsgrad konnte der gesamte Aufbau in wenigen Monaten erfolgen.

Ausführung Zimmerer: IHR Tischler, Harth-Pöllnitz; Fenster u. Fassade: Systembau Röck, Plessa Kahla; Innenausbau: Hofmann&Großmann, Ottendorf-Okrilla

Energiekennwert 25 kWh/m² im Jahr (HWB)