Frost Frust

Ich überlege schon seit ein paar Monaten meine Kolumne mit etwas anderem zu beginnen, als über gerade aufgetretene neue Wetter „Rekorde“ zu schreiben. Doch jedes Mal treten wieder ganz außergewöhnliche Wetterextreme auf. Über diese nicht zu schreiben, würde meiner Meinung nach nicht passen. Denn gerade diese Klima Kolumne bietet Platz, solche Alarmzeichen in den Fokus zu rücken.
So ist etwa der Februar 2024 mit Abstand der wärmste seit Aufzeichnungsbeginn und er war an einigen langjährigen Wetterstationen in Österreich sogar wärmer als der bisher wärmste März. Das muss man sich einmal vorstellen.
Und was ich besonders frustrierend finde: es gab mehrere Wetterstationen in Österreich, darunter Bregenz, aber auch eine Station in über 950 m Seehöhe – „Hohe Wand“ in Niederösterreich – an denen es im ganzen Februar keinen Frost gab. Nicht nur unter Tags, auch nicht in der Nacht.
Ein Februar, ein Monat im Hochwinter, ohne Frost. Das gab es bei uns noch nie in der gesamten Messgeschichte. Frost Frust also.
„Ein Februar, ein Monat im Hochwinter, ohne Frost. Das gab es bei uns noch nie in der gesamten Messgeschichte.“
Und noch eine wissenschaftliche Neuigkeit war im Februar ganz besonders beunruhigend. Eine aufsehenerregende Studie zur nordatlantischen Zirkulation (AMOC – Atlantic Meridional Overturning Circulation) wurde in „Science Advances“ von van Westen, Kliphuis und Dijkstra veröffentlich. Ein Teil dieser Zirkulation ist der bei uns so bekannte „Golfstrom“, der für relativ mildes und angenehmes Klima in Europa sorgt. Ein Ergebnis der Studie ist die Bestätigung, dass diese für unser Leben so grundlegende Meereszirkulation einen Kipppunkt hat, ab dem sie abrupt zusammenbricht, wenn mehr Süßwasser (etwa durch Schmelzwasser auf Grund des menschengemachten Klimawandels) in den Nordatlantik gelangt. Beobachtungsdaten aus dem Südatlantik deuten darauf hin, dass sich die AMOC auf diesen Kipppunkt zubewegt. Die große Frage ist nun, ob und wann dieses Kippen eintritt. Denn die Auswirkungen wären verheerend. Die tropischen Niederschlagsgürtel würden sich verschieben. In Nordeuropa würden die Winter innerhalb eines Jahrhunderts um 10-30°C kälter, die Sommer aber etwa in Wien nicht wesentlich kühler. (Und daher wäre dies auch nicht eine neue „Eiszeit“, wie mancherorts zur vernehmen war). Anpassung wäre auf Grund der Abruptheit der Veränderung fast unmöglich. Stefan Rahmstorf, ein Experte für die AMOC, schreibt auf seinem Spektrum-Blog: „Angesichts der Auswirkungen muss das Risiko eines AMOC-Zusammenbruch unbedingt vermieden werden.“
Dieser Aussage schließe ich mich an. Und das gelingt uns nur dann, wenn wir die Klimakrise durch Klimaschutz in den Griff bekommen.
Der Vorarlberger Simon Tschannett ist Meteorologe und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Stadtklimatologie.