Stachel im Fleisch der Gesellschaft

Berufsbezeichnung für Soziale Arbeit geschützt. Johanna Hefel leistete Pionierarbeit.
Dornbirn Zwei Jahrzehnte hat es gedauert, doch nun ist die Berufsbezeichnung für die Sozialarbeit gesetzlich geschützt. Nur, wer eine einschlägige akademische Ausbildung hat, darf sich künftig “Sozialarbeiterin” bzw. “Sozialarbeiter” oder “Sozialpädagogin” bzw. “Sozialpädagoge” nennen. Im anderen Fall kann eine Verwaltungsstrafe von bis zu 15.000 Euro fällig werden. Pionierarbeit in diesem zähen Prozess leistete Johanna Hefel (59), Professorin für Soziale Arbeit an der FH Vorarlberg. Sie freut sich und spricht von einem Meilenstein, dem aber weitere Schritte folgen sollen. „Ziel ist ein umfassendes Berufsgesetz. Der Bezeichnungsschutz gewährleistet jetzt aber zumindest eine Qualitätssicherung“, ergänzt sie und zeigt sich dankbar, dass Sozialminister Johannes Rauch, selbst Sozialarbeiter, „uns die Tür geöffnet hat“. Weitere Initiatoren waren der Berufsverband Soziale Arbeit, Studiengangsleitende sowie Vertreter der AK Wien.

Ein Mangelberuf
Seit der Überführung des Studiums Soziale Arbeit von der Sozialakademie an die FH 2002 engagiert sich Johanna Hefel in Sachen Akademisierung: „Soziale Arbeit ist sehr nahe am Alltag von Menschen. Das verführt manchmal dazu, zu glauben, das kann jeder“, begründet Hefel. Der Bezeichnungsschutz stelle sowohl für Menschen, die soziale Unterstützung benötigen, wie auch Arbeitgeber eine Qualitätssicherung dar. „Die Soziale Arbeit ist ein buntes Feld, auf dem sich inzwischen vielfältige Professionen tummeln“, bemerkt die Hochschullehrerin. Das sei nicht unproblematisch, weil es sich um einen Mangelberuf handle. Da könnten Arbeitgeber bei der Besetzung offener Stellen schon in Not kommen. Umso wichtiger sei der neue gesetzliche Rahmen. Wer die Vorgaben nicht erfüllt, aber bereits in diesem Bereich tätig ist, muss sich entsprechend weiterbilden. Das Interesse an berufsbegleitenden Studien ist laut Hefel groß.

Ihren persönlichen Einsatz begründet die studierte Sozialarbeiterin unter anderem damit, dass Soziale Arbeit in Praxis und Wissenschaft zu wenig wahrgenommen wird. „Soziale Arbeit ist mehr, als an einem Tisch sitzen und miteinander reden“, erklärt sie, zumal die Komplexität von Problemlagen massiv zugenommen habe: „Da braucht es entsprechendes Wissen, eine entsprechende Bezahlung und genügend Studienplätze.“ Um solche Forderungen besser vertreten zu können, gründete Johanna Hefel vor 12 Jahren die Österreichische Gesellschaft für Soziale Arbeit, deren erste weibliche Präsidentin sie seit 2019 ist. „Ich bin gerne Pionierin“, fügt sie noch lächelnd an.

Ringen um Anerkennung
Es geht ihr zudem um Anerkennung für die Kolleginnen und Kollegen. Diesbezüglich gibt es ganz allgemein noch Luft nach oben. Die persönliche Vermutung: „Soziale Arbeit wirft oft unliebsame Themen auf, sie ist sozusagen der Stachel im Fleisch der Gesellschaft.“ Daran knüpft auch ihre Definition an: „Soziale Arbeit ist ein Beruf, der sich bemüht, Menschen jenseits von Ausschlusskriterien wie Geschlecht, Rasse usw. ein würdiges Leben zu ermöglichen. Wir schauen nie nur das Verhalten, sondern immer die Verhältnisse an. Das ist das Spezifikum unserer Arbeit.“ An der FH in Dornbirn beginnen 50 bis 55 Interessierte pro Herbst ein Bachelorstudium in Sozialer Arbeit. Die Zahl der Absolventen gibt Hefel mit 65 bis 75 an. Viele würden in die Praxis gehen, daher sei der Mangel in Vorarlberg noch nicht so groß, aber es drohe auch hier ein solcher. „Wir wollen, dass die Soziale Arbeit systemrelevant wird“, fasst Johanna Hefel zusammen, weiß allerdings, dass es für dieses Ziel „wohl wieder einen langen Atem braucht“.