Das Kaufmannsgen entdeckt

Über Umwegen wurde Julian Mathis (30) doch noch zum Nahversorger.
Bregenz Nahversorger: Sie fehlen erst, wenn sie nicht mehr da sind, wenn es Brot, Butter oder Milch nicht mehr schnell ums Eck‘ gibt. Diese schmerzhaften Erfahrungen mussten auch die Bewohner des Bregenzer Stadtteils Schendlingen machen, nachdem der langjährige Adeg-Kaufmann Günter Thaler ohne Nachfolge in Pension ging. Nun konnte die Lücke geschlossen werden. Julian Mathis (30) hat das Geschäft und die elf Mitarbeitenden übernommen. Der Wolfurter bekam das Kaufmannsgen quasi in die Wiege gelegt. Seine Familie ist bereits in der vierten Generation in diesem Metier tätig. Ben, der jüngere der Mathis-Brüder, führt das Lebensmittelgeschäft in Wolfurt, Julian zog sich nun in Bregenz die Kaufmannschuhe an. Mutter Susanne ist noch unterstützend für die Söhne im Einsatz.

Pandemie als Wegweiser
Dabei konnte sich Julian Mathis vorher nie ein Berufsleben als Kaufmann vorstellen. Ob es daran lag, dass die Buben praktisch im Laden aufgewachsen sind? Er lacht und winkt ab. Das sei nicht der Grund gewesen. „Ich konnte mir auch nicht vorstellen, stundenlang vor einem Computer zu sitzen und etwas zu planen“, merkt er erklärend an. Genau das tat Julian dann aber sieben Jahre bei Zumtobel in Dornbirn. Er absolvierte eine Lehre als Maschinenmechaniker und war anschließend in der Sonderleuchtenkonstruktion tätig. Als im März 2020 die Pandemie mit aller Härte anrauschte, änderte sich auch für Julian Mathis so gut wie alles. Er half seiner Mutter beim Zustellservice an Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden trotz Lockdowns und sonstiger Einschränkungen gut versorgt wissen wollten, und fand auf dies Weise seine wahre Berufung. Das Kaufmannsgen hatte sich durchgesetzt. Der begeisterte „Läbbe“ hat den Schritt nicht bereut: „Das Schöne an der täglichen Arbeit sind die Abwechslung und der persönliche Kontakt zu den Kunden. Die Leute hetzen nicht nur aneinander vorbei, sondern verweilen auch immer wieder für ein Gespräch zwischen den Regalen. In unserem Markt in Wolfurt grüßt sich quasi jeder beim Namen“, beschreibt es der Jungkaufmann. Diese Nähe will er auch am Standort in Bregenz-Schendlingen etablieren.

Lokales Sortiment
Susanne Mathis hatte von der Schließung des Marktes gehört und eine mögliche Übernahme mit ihren Buben diskutiert. Jetzt konnte sich der Ältere ein Kaufmannsleben vorstellen. Er ließ das 595 Quadratmeter große Ladenlokal komplett umbauen, rüstete alles energieeffizient und klimafreundlich um und freut sich trotz des hohen Arbeitspensums auf jeden Tag, den er in seinem Geschäft stehen darf. Die Konkurrenz der größeren Lebensmittelmärkte fürchtet Julian Mathis nicht. Er will mit innovativen Ideen punkten, immer wieder mit Neuem für die Kunden aufwarten, hat er sich vorgenommen. Ebenso wichtig nimmt er lokale Partner: „Lebensmittel aus der unmittelbaren Umgebung sind schon wegen der kurzen Lieferwege von hoher Qualität und auch hinsichtlich ihres Geschmacks unvergleichlich. Je lokaler unser Sortiment, desto hochwertiger unser Angebot und desto mehr stärken wir die regionale Wertschöpfung, was gerade in Zeiten wie diesen wichtig ist“, lautet sein Credo.

Für Hobbys oder Treffen mit seinen Kollegen bleibt Julian Mathis derzeit kaum Zeit. „Der Anfang ist schon sehr intensiv“, musste er erfahren. Pläne gibt es dennoch. Er gärtnert gerne. Deshalb soll, sobald sich alles eingespielt hat, das erste Hochbeet mit Kräutern bepflanzt werden. Und wer weiß, vielleicht gibt es die bald beetfrisch auch im Geschäft.
Zur Person
Julian Mathis
Alter: 30
Werdegang: Lehre als Maschinenmechaniker, jetzt Kaufmann
Wohnort: Wolfurt
Hobbys: Treffen mit Kollegen, Fasnatzunft „Läbbe“, Verein „Kellerkinder“, der jedes Jahr ein Bierfäscht organisiert
