Welche Folgen Gewessler nun drohen könnten

Nichtigkeitsklage, Amtsmissbrauch oder auch Misstrauensantrag? Der Koalitionskrach verfestigt sich weiter.
Schwarzach Jetzt eskaliert es zwischen ÖVP und Grünen. Nachdem Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf EU-Ebene gegen den Willen ihres Koalitionspartners für das Renaturierungsgesetz gestimmt hat, kündigt die ÖVP gleich mehrere Klagen an. Was nun bevorsteht.

Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof
Die ÖVP will eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen. „Das bedeutet, dass das Gesetz angefochten wird“, erklärt Verfassungsjurist Peter Bußjäger. Die ÖVP wird sich darauf berufen, dass Gewessler eigentlich nicht bevollmächtigt gewesen sei, dem Renaturierungsgesetz zuzustimmen. Sollte der EuGH dieser Auffassung folgen, würde er das Gesetz aufheben. Was die Erfolgschancen der ÖVP in dieser Frage anbelangt, ist Bußjäger skeptisch, wenngleich er darauf verweist, Verwaltungs- und Verfassungsjurist zu sein, aber kein Europarechtler.

Anzeige wegen Amtsmissbrauch
Die ÖVP zeigt Gewessler wegen Amtsmissbrauchs an, wie Generalsekretär Christian Stocker erklärte. Dabei handelt es sich um eine Strafanzeige. “Es besteht der Verdacht, dass Leonore Gewessler mit ihrer Zustimmung zur Renaturierungsverordnung rechtswidrig und wissentlich gegen die klaren Vorgaben des Verfassungsdienstes und gegen die Verfassung handelt – dies begründet Amtsmissbrauch”, heißt es seitens der ÖVP. Auch hier ist Bußjäger skeptisch. Schließlich habe auch Gewesslers Ministerium eigene Gutachten eingeholt. „Auch wenn ich die Ergebnisse der Gutachten nicht teile, habe ich meine Zweifel, dass man hier von einer Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs sprechen kann.“ Das sagt auch Robert Kert vom Institut für österrichisches und europäisches Wirtschaftsstrafrecht an der WU Wien. Die Vorsatzfrage sei hier sehr vage, auch was den Schädigungsvorsatz betreffe: “Unmittelbar wird durch den Akt niemand geschädigt.” Entscheidend sei auch: “Amtsmissbrauch setzt voraus, dass die Tätigkeit im Rahmen der Hoheitsverwaltung geschah. Das würde ich hier nicht sehen.” Da Gewessler im Europäischen Rat über eine Verordnung abgestimmt habe, sei es vielmehr ein Akt der Gesetzgebung gewesen. “Und das fällt nicht in den Anwendungsbereich des Amtsmissbrauchs.” Würden die Gerichte doch zu einem anderen Ergebnis kommen, drohten bis zu fünf Jahre Haft.

Entlassung durch den Bundespräsidenten
Kann sich Bundeskanzler Karl Nehammer nicht mehr vorstellen, mit Leonore Gewessler zusammenzuarbeiten, könnte er beim Bundespräsidenten die Entlassung der Ministerin vorschlagen. Spannend wird, was Alexander Van der Bellen daraufhin tut. Kommt er dem Wunsch des Kanzlers nicht nach, stelle sich natürlich die Frage, ob „der Bundeskanzler überhaupt noch das volle Vertrauen des Bundespräsidenten genießt“, meint Bußjäger. Ebenso erklärt er, dass es eigentlich nicht denkbar ist, dass die ÖVP die Ministerin beim Staatsanwalt anzeige, aber gleichzeitig in einer gemeinsamen Bundesregierung mit ihr weiter zusammenarbeite.

Misstrauensantrag
Würde der Bundespräsident der Entlassung der Ministerin nicht zustimmen, so könnte die ÖVP den Weg über den Nationalrat gehen und einen Misstrauensantrag stellen. Für diesen bräuchte sie aber die Mehrheit der Abgeordneten, sprich die Unterstützung von den Freiheitlichen oder der SPÖ. Das wird wohl keine Schwierigkeiten bereiten, zumal FPÖ-Chef Herbert Kickl am Montag ankündigte, selbst einen Misstrauensantrag zu stellen, sollte sich die ÖVP nicht um eine Entlassung der Klimaschutzministerin kümmern. Erreicht ein Misstrauensantrag eine Mehrheit, muss der Bundespräsident die Ministerin am Ende ihres Amtes entheben.
Ministerinnenklage
Ein anderer Weg, den die ÖVP noch wählen könnte, wäre die Ministerinnenklage. Auch hier würde eine einfache Mehrheit der Abgeordneten reichen. „Der Verfassungsgerichtshof hat dann festzustellen, ob eine schuldhafte Rechtsverletzung vorliegt“, erklärt Bußjäger. In Folge könnte es der VfGH bei der Feststellung dessen belassen – dies hätte keine weiteren Konsequenzen. Oder der VfGH könnte veranlassen, dass die Ministerin ihr Amt verlassen müsste. Dies wäre natürlich sinnlos, wenn sie ohnehin schon aus dem Amt geschieden wäre – etwa wegen einer Amtsenthebung durch den Bundespräsidenten oder eines Misstrauensantrags. Hinzu kommt außerdem: Spätestens am 29. September wird neu gewählt.