Manfred Honeck bezaubert bei den Wolfegger Konzerten

Napoleon-Zyklus und Schuberts Es-Dur Messe.
Wolfegg Vor dreißig Jahren hat Manfred Honeck die von Leopold Hager ins Leben gerufenen Internationalen Wolfegger Konzerte als künstlerischer Leiter übernommen, und ein kostbares Juwel in der Festivallandschaft sind sie bis heute geblieben. Für Honeck ist es immer wieder eine besondere Freude, von seinen internationalen Verpflichtungen nach Wolfegg zurückzukehren: „Es ist ein Geschenk für mich, am Ende der Saison, bevor es in die Ferien geht.“ Mit dem Dank an die Fürstenfamilie zu Waldburg-Wolfegg versicherte er augenzwinkernd: „Sie sind mir alle ans Herz gewachsen – ich möchte die nächsten zweihundert Jahre noch dabei sein.“

Die Wolfegger Konzerte haben einen so guten Namen, dass Honeck beim Orchesterkonzert im achthundert Besucher fassenden Rittersaal, ohne auf die Besucherzahl zu schielen, auch zeitgenössische Musik ins Programm aufnehmen kann. Florian Franneks Zyklus „Napoleon Bonaparte – ein Charakterbild in achtzehn brieflichen Episoden für hohe Stimme und Klavier“ ist im April in Leipzig uraufgeführt worden. Manfred Honeck hat den Komponisten, der ab 1993 bei ihm in Basel und Zürich sein Kapellmeisterstudium machte, zu einer Orchesterfassung angeregt und nun in Wolfegg uraufgeführt. Sänger war beide Mal der Tenor Simeon Esper von der Semperoper Dresden, es spielte die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern.
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Frannek hat selbst in den Zyklus eingeführt, für den er Ausschnitte aus Originalbriefen von Napoleon ausgewählt hat, die ihn in chronologischer Folge kaleidoskopartig als Menschen wie als Machtpolitiker darstellen. Der Bogen fesselt von Anfang an, ist bald hochdramatisch, bald sehnsuchtsvoll, eifersüchtig, ironisch, sarkastisch, lauernd, heuchlerisch, todernst. Mit nie nachlassender Spannung hat der Sänger vom schmerzhaften Schrei bis zum Flüsterton die Worte erfahren lassen, auch auf Honecks Gesicht war der Spannungsbogen abzulesen. Lebhaft unterstreicht die vielfarbige Orchesterfassung die Stimmungen und lässt zugleich der Stimme ihren Raum. Ein Zyklus, der zuweilen den Atem raubt. Nichts hätte besser zu diesem Napoleon-Zyklus gepasst als Beethovens Eroica, die Honeck mit seinen hochmotivierten Musikern als leidenschaftliches Spiel der Kontraste gestaltete.

Tief zur Seele sprach das sonntägliche Kirchenkonzert in der barocken Pfarrkirche St. Katharina. Hier kamen zur Deutschen Radio Philharmonie der Philharmonische Chor München und ein junges Solistenquintett. In wunderbar inniger Pianokultur sang der Chor eingangs Anton Bruckners Motetten „Locus iste“ und „Ave Maria“, eine strahlend aufleuchtende und sanft verglühende Preziose war das Adagio aus Bruckners Streichquintett F-Dur, das Honeck für großes Orchester bearbeitet hatte. Im Zentrum des Konzerts stand Schuberts letzte, wenige Monate vor seinem Tod komponierte Messe Es-Dur, eine Messe, deren Wechsel von kraftvoller Urgewalt und stiller Andacht Honeck ausdrucksvoll erleben ließ. In spannendem Dialog standen Chor und Orchester, ein wiegendes Terzett war das „Et incarnatus est“ von Sopran und zwei Tenören, eingebettet in das „Crucifixus est“ des Chores. Erst im Benedictus und im Agnus Dei lässt Schubert noch einmal die Solisten zum Chor treten. Ein wunderbarer Abschluss der diesjährigen Wolfegger Konzerte.
Christel Voith