Was kann Landwirtschaft
Der Unterschied zeigt sich schon im Wort: Das lateinische „agricultura“ bedeutet Landwirtschaft. Im Lateinischen aber ist eben der Begriff der Kultur integriert, im Deutschen jener der Wirtschaft. Allerdings ist im ersten bekannten Werk, „De agri cultura“ (Über den Ackerbau), das um 150 vor Christus von Cato dem Älteren geschrieben wurde, wenig von Kultur die Rede. Vielmehr gibt Cato seine Erfahrungen in wirtschaftlicher Hinsicht weiter, wie also Ackerbau wirtschaftlich betrieben werden kann, wo die besten Renditen liegen. Wir sind also heute dort, wo wir schon vor gut 2000 Jahren waren. Diesem Denken wollten die „Landgespräche Hittisau“, die am vergangenen Samstag Nachmittag acht Referenten aufboten, etwas entgegensetzen. Es ist ein anspruchsvolles Format, das die Initiatoren der Gespräche – Johann Steurer, Hermann Hagspiel und Markus Faißt – ihrem Publikum abverlangen: Fünf Stunden Referate und Gespräch. Und trotzdem hört ein voller Saal über diese lange Zeit interessiert zu und hat dann noch Kraft genug für Nachfragen – was wohl auch mit der Qualität der Referenten zu tun hat.
„Die Landwirtschaft steht einerseits vor großen Veränderungen, andererseits geht es auch um das Bewahren von Traditionen.“
Das Thema lehnte sich an das Lateinische an: „AgriKultur – die Zukunft der Landwirtschaft im alpinen Raum“. Und naturgemäß gib es auch in Hittisau weniger um Kultur, als vielmehr darum, wie kleine oder auch größere landwirtschaftliche Betriebe in unserer Region am besten über die Runden kommen. Der ehemalige EU-Agrarkommissar Franz Fischler etwa meinte, man müsse sich in einer Zeit großer Umbrüche eigener Stärken bewusst werden: Der Herstellung von Bergkäse oder des Werkstoffs Holz zum Beispiel. Auch Josef Rupp wünschte sich neue „Leuchtturmprojekte“ wie etwa die „Käsestraße Bregenzerwald“, mit der man unverwechselbar geworden sei. Solche Ideen zeigte auch Yvon Bochet, Präsident der Hartkäseregion „Beaufort“ in den savoyischen Bergen im Osten Frankreichs oder auch Anton Sutterlüty, Alpsenn aus Egg und Käsevermarkter in Wien, mit seinem „Gebsenkäse“ auf.
Welchen Referenten immer man den Vorzug gab – eines scheint sicher: Die Landwirtschaft steht einerseits vor großen Veränderungen, andererseits geht es auch um das Bewahren von Traditionen, etwa dem Alpkäse, die eine bestimmte Sonderstellung in einem umkämpften Markt ermöglichen. Naturgemäß gibt es aufgrund dieser Situation viele Vorstellungen, wie die Wege in Zukunft zu gehen sind, logischerweise auch unterschiedliche Vorstellung zwischen Alt und Jung. Deshalb ist es schade, dass in Hittisau die kritischen jungen Bauern zu wenig aufgetreten sind. Es scheint jetzt die Aufgabe, die einen wie die anderen an einen Tisch zu bekommen und die Themen, die bei den „Landgesprächen“ naturgemäß nicht ausdiskutiert werden konnten, weiter zu verfolgen. Denn eines scheint nach dieser spannenden Veranstaltung klar: Gesprächsbedarf gibt es für die „AgriKultur“ in höchstem Maß. Das gilt für die einzelnen Bäuerinnen und Bauern ebenso wie für die große Politik.
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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