In Mariahilf wird Lärm zum Thema für den Landesvolksanwalt

Im Vorkloster geht es laut her. Darunter leiden jedoch Anrainer, sie fühlen sich mit ihrem Problem alleingelassen und sind damit nicht die Einzigen.
Darum geht’s:
- Lärmbelästigung spaltet Anrainer und Wirte in Mariahilf
- Bewohner fühlen sich von Stadtpolitik im Stich gelassen
- Landesvolksanwalt sucht nach Lösung für den Konflikt
Bregenz Im Bregenzer Ortsteil Mariahilf hängt der Haussegen schief. Auf der einen Seite Anrainer, die in der Nacht keine Ruhe finden. Auf der anderen Seite Wirte, die sich ausgeliefert fühlen. Beide Seiten sind nur mehr frustriert. Mittendrin die Behörden, Stadtpolitik und Vermieter.

Seit dem Winter 2003/04 gibt es den Wohnblock. Unter dem Stichwort “Lebensräume Jung und Alt” steht hier die solidarische Wohngemeinschaft im Fokus, die gerade älteren Menschen ein möglichst langes Leben in Selbstständigkeit ermöglichen soll. Die Schlafzimmer gehen zur Straße hinaus. Direkt gegenüber mit freier Sicht: das Schoeller Areal mit Theater, Bar und Restaurant. Das Restaurant darf bis 1 Uhr regulär Betrieb haben, die Bar bis 3 Uhr. “Es ist meist von Donnerstag/Freitag bis Sonntag früh durchgehend laut. Nachdem ich Anfang 2023 noch Vollzeit arbeiten und teilweise um vier Uhr morgens aufstehen musste, bis drei Uhr aufgrund des Lärms aber immer noch keine Ruhe gefunden hatte, lagen meine Nerven so blank, dass ich nachts mit meiner Matratze ins Badezimmer zog”, erklärt Ingrid Glantschnig. Dies liege nicht nur an den Lokalitäten, sondern auch am Verhalten der Gäste. “Der schlimmste Lärm kommt vom Außenbereich – sobald der Alkohol die Laune der Gäste hebt, wird der Lärm unerträglich”, sagt die Nachbarin Barbara Sickl.
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Glantschnig war 2005 im Bewohnerbeirat, damals gab es nur das Theater, noch keine Nachtgastronomie und bereits Beschwerden wegen Lärm. Gemeinsam mit der Hausverwaltung und der Stadt fand sich rasch eine Lösung. Seit 2021 sei es wieder anders. Wieder versuchte man es über die Hausverwaltung und die Stadtpolitik. Doch dies verlief immer wieder im Sand, es gelang nie, alle an einen Tisch zu bringen. “Lauter Einzelgespräche sind aber sinnlos”, klagt Glantschnig. Und wenn die Lokale geschlossen sind, weichen die Lärmerreger auf den nahen Spielplatz aus. Anrufe bei der Stadtpolizei sorgten nur für Ruhe, solange die Beamten vor Ort sind. Und auch Harald Steiner ist sich sicher, niemand nehme die Anrainer mehr ernst. Frühere Ansuchen an die Stadt haben über ein Dutzend Unterschriften, nun kämpfen meist nur sie drei. “Im Außenbereich muss irgendwann eine Nachtruhe herrschen”, betont Glantschnig. “Wir sind auch noch wer.” Da sie sich von der Stadt und der Stadtpolitik im Stich gelassen fühlen, wenden sie sich inzwischen an den Landesvolksanwalt. Denn als ortsüblich empfinden sie die Belastung nicht mehr.
Richtwerte
Der Arbeitskreis für Lärmbekämpfung erarbeitete unter Förderung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mehrere Richtlinien zur Lärmbelastung. Richtlinie Nr 3 Blatt 1 zur Beurteilung von Schallimmissionen im Nachbarschaftsbereich sieht bei Veranstaltungen in der Nacht einen Wert von 50 Dezibel vor dem Fenster als Grenzwert an. Das Handbuch des Lebensministeriums zu Richtwerte, Schwellenwerte und Planungsrichtlinien gibt für Baufläche-Mischgebiet in Vorarlberg einen Nacht-Grenzwert von 45 Dezibel an, auf Basis der ÖNORM 5021. Diese ist als Best-Practice-Beispiel gedacht und ist nicht rechtlich verbindlich.
Auf der anderen Seite stehen die Gastronomen. Sie wissen vom Problem vor allem durch die Besuche der Stadtpolizei. Für sie ist es ein Kampf gegen Windmühlen: Mit einer Dezibelmesser-App prüfe man, dass die Musik nicht zu laut ist, achte nach Möglichkeit auf geschlossene Türen. Der Gastgarten schließe auch schon früher, als man müsste. Die Fenster des früheren Industriegebäudes werden nun auch nachverdichtet. Das Nachtlokal redet auch auf seine Besucher ein, draußen doch bitte leise zu sein. Für die Wirtinnen vor Ort eine Sisyphusarbeit, die über die eigenen Öffnungszeiten hinaus reiche. Sie fühlen sich ebenfalls ausgeliefert, vermissen ebenso einen verständnisvollen Austausch aller Seiten.

“Leider kommt es immer wieder im öffentlichen Raum zu derartigen Nutzerkonflikten”, weiß Landesvolksanwalt Klaus Feurstein zu berichten. “Ob es sich um subjektives Lärmempfinden oder wirklich objektives Lärmgeschehen handelt, ist im Einzelfall nicht einfach zu beurteilen. Entsprechende Lärmmessungen können hier ausschlaggebend sein.” So verweist die Stadt die erfolgten Strafanzeigen, den Spielplatz habe man von Ende Juli bis Ende September zehnmal kontrolliert. Dieser soll aber als Erholungs- und Begegnungsort für alle erhalten bleiben. Er will nun in den nächsten Tagen weitere Gespräche führen, um zu einer möglichen Lösung zu finden. “Wichtig scheint mir, dass nun alle Beteiligten an einer Lösung interessiert sind und auch ein Verständnis für die jeweiligen Anliegen besteht”, zeigt sich Feurstein zuversichtlich.