Kultur Last not First…

Kommentar von Gerold Matt.
Voilà, nun ist die Regierung gebildet und die Putinpartie um Kickl darf weiter in der Opposition von der Volkskanzlerschaft träumen. So weit, so gut. Wenn da nicht auch noch die Kultur wäre bzw. nicht wäre. Zu Recht gilt Österreich als eine der großen Kulturnationen und Kultur als eine der wichtigsten geistigen und wirtschaftlichen Ressourcen unseres Landes. Doch von prima causa kann keine Rede sein, die Kultur, – wie es wieder einmal diese Regierungsbildung beweist – ist für Politische Kaste eine quantité négligeable. Und so wurde die Chance, ein Kultur- und Kunstministerium zu schaffen, an dessen Spitze eine kompetente und Respekt genießende Persönlichkeit steht, deren starke Stimme zu gesellschaftlichen und kulturellen Fragen (etwa nach dem Vorbild von Frankreich legendärem Kulturminister André Malraux) im öffentlichen Diskurs Gewicht hat, verpasst.
Längst vorbei die Zeiten, als sich die ÖVP als Fürsprecher des Bildungsbürgertums verstand und die SPÖ als Kulturbewegung „Kunst und Kultur für alle“ propagierte. Ohne viel Federlesens, wie man hört, hätte die ÖVP die lästige Agenda in den gescheiterten Koalitionsverhandlungen den „Saubermännern“ der FPÖ überlassen, die künftig ihre Feldzüge gegen künstlerische „Machwerke“ und“ Schund und Dreck“ (siehe Fäkalkunst-Kampagne gegen Brus) von der Regierungsbank aus geführt hätte. Die Kunsthasser der Heimatpartei blieben uns erspart, aber das Desinteresse der Konservativen steht für deren Respektlosigkeit gegenüber Kunst und Kultur.
Die SPÖ platziert die Kultur nun als Wurmfortsatz im Kompetenzwirrwarr der Vizekanzleragenden zwischen Wohnen, Sport und Medien und was auch immer. Und dies mit einem Kulturminister Babler, der in Wahlkampfzeiten Österreichs Kunstwelt zu einem „bunten Abend“ einlud, und es mit einer -was sonst- „Kultureinlage“ schmackhaft machen wollte. An seiner Seite werkt eine Staatssekretärin, die bisher jedenfalls nicht durch Kulturaffinität auffiel. Aber es wird sich sicher noch ein Hinweis auf eine Schauspielkarriere in einem Kindertheaterkurs oder auf die Teilnahme in einem Töpferseminar finden lassen.
Da erinnert man sich mit Wehmut an engagierte Kulturpolitiker und -politikerinnen, die wie die sozial engagierte Hilde Hawlicek, die leidenschaftlich-Kämpferische Ursula Pasterk, oder der diplomatisch geschickte Peter Marboe sich mit Herzblut, Sachkenntnis und Erfahrung für die Sache der Kunst und der Künstlerinnen und Künstler einsetzten.
Hoffnung keimt im Außenamt auf, in dem einer der wenigen engagierten Kulturpolitiker, nämlich Sepp Schellhorn von den NEOS für Auslandskultur zuständig ist. Ihm ist die Formulierung kulturpolitischer Ziele, Ideen und Konzepte zuzutrauen.
Letztlich jedoch wird der Respekt vor Kunst und Kultur am Budget zu messen sein. Vernünftig klingt die diskutierte Senkung der Mehrwertsteuer für Bücher und den Erwerb von Kunst. Dringlich ist auch der Kampf gegen den wachsenden Antisemitismus in Institutionen und Universitäten. Die Entbürokratisierung der Kunstförderung (Kontrolle der Zielerreichung statt teure Kontrollbürokratie) und Reform der Auslandskultur (Senkung der enormen Personal- und Fixkosten, dafür mehr Geld und Kompetenz für die Kunst) durch Schaffung einer unabhängigen, unbürokratischen Stiftung Pro Austria sind jene Herkulesaufgaben, an denen die Regierung kulturpolitisch zu messen sein wird. Was wir brauchen, ist eine Kulturpolitik, die gestaltet und nicht nur mehr verwaltet.
Apropos: Sepp Schellhorn und Andreas Babler stellten einst gemeinsamen Rezepte für die Volksküche in Traiskirchen zusammen.