Ein Jahrhundertkonzert

Concerto Stella Matutina feierte sein zwanzigjähriges Bestehen mit Bibers grandioser Missa Salisburgensis
Götzis Es gibt nicht nur Jahrhunderthochwasser, die Furcht und Schrecken verbreiten. Sondern auch Jahrhundertkonzerte, die einen in solche Bewunderung, ja geradezu Ehrfurcht versetzen, dass es schwer wird, Worte dafür zu finden. Ein solches Konzert war die Aufführung der Missa Salisburgensis von Heinrich Ignaz Franz Biber am vergangenen Freitag und Samstag in Götzis, mit der das Vorarlberger Barockorchester vor ausverkauftem Haus sein zwanzigjähriges Bestehen feierte. Der Leiter Thomas Platzgummer moderierte am Samstagabend in gewohnt humorvoller Weise: So erfuhr man, dass die Aufführung der Wunsch von Trompeter und Orchestermanager Bernhard Lampert war, der sich dieses sehr selten gespielte Werk mit zehn Naturtrompeten selbst als Geschenk zum fünfzigsten Geburtstag gemacht hat. Oder dass der Bürgermeister von Götzis am Freitag das CSM gleich zum „führenden Barockorchester Europas“ gekürt hatte. Die Glückwünsche des Landes Vorarlberg überbrachte Landesrätin Barbara Schöbi-Fink dann pannenfrei.

Die Dramaturgie war perfekt: Leise Pauken- und Trompetentöne von hinter der Bühne, dann marschierten die fünf Bläser und die Pauken ein, mit Cesare Bendinellis festlicher Sonata 336. Eine besondere Klangfarbe erhielt dieser Abend durch die Zinken, deren Eigenheiten Frithjof Smith erklärte. Im ersten Teil hörte man festliche Musik vom fürstbischöflichen Hof in Olmütz, wo Biber vor seinem Wechsel nach Salzburg gewirkt hatte, von Antonio Bertali, Pavel Vejvanovský und besonders schön eine Sonata Solennis des völlig unbekannten Henricus Aloysius Brückner, dazu einen achtstimmigen Chor von Palestrina.

Dass Bibers monumentale Messe zu dreiundfünfzig Stimmen überhaupt erhalten geblieben ist, verdankt sich einem glücklichen Zufall: Dem Salzburger Domchordirektor Achleitner fiel in den 1870er-Jahren beim Greißler das besonders große Einwickelpapier auf: Es handelte sich um ein Manuskript der Missa Salisburgensis ohne Titelblatt; erst in den 1970er-Jahren konnte es mit größter Wahrscheinlichkeit Biber zugeschrieben werden. Die Apotheose des Einwickelpapiers zu grandioser Musik ist aufs Vorzüglichste gelungen. Die fast sechzig Mitwirkenden musizierten auf der Bühne, auf einer Galerie oberhalb der Bühne und seitlich auf den Emporen, sodass sich der erwünschte Surround-Sound fast wie im Salzburger Dom ergab.

Bibers Komposition in ihrer Prachtentfaltung, aber auch in ihrer differenzierten und abwechslungsreichen Ausdeutung des Messtextes sucht ihresgleichen: Ehrfurchtsschauer beim gewaltigen Kyrie. Im Gloria Bässe, Zinken und Posaunen im ruhigen „Qui sedes“, dann wieder Alte, Soprane und Blöckflöten beim bewegten „Quoniam tu solus“ und ein tänzerisches Amen. Das „Cruzifixus“ des Credos mit getragenen Bässen und Posaunen, Trompetenschall und volles Orchester beim „Resurrexit“. Besonders eindringlich das dreimal wiederholte Agnus Dei.

Die zwei Vokalchöre mit Orgeln, deren sechzehn Mitglieder jeweils auch solistisch sangen, die zwei Trompetenchöre mit Pauken, die zwei Streicherchöre mit vielen Violen, der Holzbläserchor mit Blockflöten und Oboen, der Zinken- und der Posaunenchor und die beiden Celli und der Bass hätten ihre Sache unter der umsichtigen Leitung von Platzgummer nicht besser machen können. Nach den Standing Ovations gab es als Zugabe einen Hymnus von Biber, der völlig zu Recht zur Feier von Concerto Stella Matutina umgetextet worden war.
Ulrike Längle