Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer

05.06.2025 • 15:15 Uhr
Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer
Małgorzata Mirga-Tas erlangte 2022 internationale Bekanntheit, als sie den Polnischen Pavillon auf der Biennale in Venedig mit Textilarbeiten auskleidete. philipp steurer

Die KUB-Ausstellung eröffnet einen Blick in die Lebenswelten und Traditionen der Rom*nja.

Bregenz Die aktuelle Ausstellung „Tełe Ćerhenia Jekh Jag (Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer)” von Małgorzata Mirga-Tas im Kunsthaus Bregenz eröffnet einen faszinierenden und zugleich intimen Blick in die Lebenswelten und Traditionen der Rom*nja. Die 1978 in Zakopane geborene polnische Künstlerin präsentiert hier nicht nur detailreiche Textilcollagen und Skulpturen, sondern erschafft einen Ort, der zugleich Refugium und Spiegel ihrer kulturellen Identität ist. „Mir ist es ein tiefes Anliegen, einen Ort zu schaffen, der frei ist von Gewalt und Opfern, einen geschützten Raum – für mich selbst und für alle, die ihn betrachten“, sagt Mirga-Tas, deren Arbeiten sowohl politische Kraft als auch poetische Sensibilität in sich tragen.

Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer
Die rekonstruierte Schmiede des Großonkels von Mirga-Tas, Augustyn Mirga. philipp steurer

Im ersten Stock begegnet man einer eindringlichen Serie von Textilcollagen, die das Alltagsleben in Czarna Góra, einer Romnja-Siedlung am Fuße der Tatra, in präzisen Szenen wiedergeben. Rauchen, Kartenspielen und Wäscheaufhängen werden hier zu emblematischen Darstellungen, die sowohl die Intimität als auch die universelle Conditio humana einfangen. Zentral im Raum stehen glänzende, tiefschwarze Figuren – die Jangare. Diese anthropomorphen Wächter, aus Wachs und Ruß erschaffen, wirken beschwörend und schützend zugleich. Ihr Name ist eine Neuschöpfung aus dem Romanes und spielt auf Kohle (jangar) an. Ihre Präsenz wirkt magisch-abwehrend gegen Unheil und negative Kräfte. Eine Collage mit dem Titel “Jangare’s magic is in our hands” (2025) zeigt eindrücklich die gemeinschaftliche Entstehung dieser mythischen Wesen: Vier Frauen – darunter Mirga-Tas selbst – sind darauf zu sehen, wie sie einen Jangare erschaffen, der als Symbol für Gemeinschaft und weibliche Stärke steht.

Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer
Die aktuelle Ausstellung „Tełe Ćerhenia Jekh Jag (Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer)” von Małgorzata Mirga-Tas. philipp steurer

Eine Etage höher führt die Ausstellung in die rekonstruierte Schmiede ihres Großonkels Augustyn Mirga. Die Installation geht dabei weit über bloße Nostalgie hinaus. Mirga-Tas macht diesen familiären Ort zur Metapher für die künstlerische Schöpfungskraft und den kulturellen Zusammenhalt der Romnja. Das Handwerk des Schmieds, tief verwurzelt in der Geschichte ihrer Community, wird zur Metapher alchemistischer Verwandlung, in der Materie und Erinnerung gleichermaßen neu geschmiedet werden. In dieser Schmiede entstehen nicht nur Hufeisen und Werkzeuge, sondern auch Ideen, Geschichten und Kunstwerke, die eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen.

Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer
Die aktuelle Ausstellung „Tełe Ćerhenia Jekh Jag (Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer)” von Małgorzata Mirga-Tas. philipp steurer

Im dritten Stock schließlich treten die Bären in den Vordergrund. Sie sind aus den gleichen zerbrechlich wirkenden Materialien gefertigt wie die Jangare. Diese mächtigen Tiere symbolisieren eine gewaltfreie Koexistenz zwischen Mensch und Natur. Mirga-Tas hebt hervor: „Die Skulpturen fügen sich auf ganz natürliche Weise in das KUB ein, nicht zuletzt wegen der Großzügigkeit seiner Architektur. Das Material der Skulpturen wirkt zerbrechlich, beinahe verletzlich, doch sie strahlen eine Kraft aus, eine Art stille Präsenz, die über die Dörfer wacht. Diese Bären sind keine wilden Tiere, sondern Gefährten und Hüter der Familie. Dort, wo ich aufgewachsen bin, leben Bären. Ich habe sie geschätzt und geachtet. Weil sie mir so viel bedeuten, habe ich sie in Form dieser Skulpturen mit nach Bregenz gebracht.“

Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer
Die aktuelle Ausstellung „Tełe Ćerhenia Jekh Jag (Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer)” von Małgorzata Mirga-Tas. philipp steurer

So entwirft Mirga-Tas ein Bild des Bären, das sich deutlich von stereotypen Darstellungen unterscheidet, bei denen Bären als dressierte, angekettete Unterhaltungstiere gezeigt werden. Ihre Skulpturen sind vielmehr Hüter, in deren Inneren symbolisch Herzen schlagen. Indem sie diese kulturellen Symbole neu interpretiert und künstlerisch umdeutet, setzt Mirga-Tas ein starkes Zeichen gegen die Marginalisierung und Stigmatisierung der Rom*nja. So verbindet sie in „Tełe Ćerhenia Jekh Jag“ auf eindringliche Weise persönliche Erinnerung, kollektive Identität und politische Aussagekraft zu einem beeindruckenden, ganzheitlichen Kunstwerk.

Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer
Die aktuelle Ausstellung „Tełe Ćerhenia Jekh Jag (Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer)” von Małgorzata Mirga-Tas. philipp steurer

Die Ausstellung wird am Freitag, dem 6. Juni um 19 Uhr eröffnet und ist bis zum 28. September 2025 zu sehen.