Eine komplizierte Beziehung

Sebastian Kurz‘ Besuche in Vorarlberg sorgten immer wieder für Aufregung.
Bregenz Die Beziehung zwischen Sebastian Kurz und Vorarlberg ist kompliziert. Einerseits wählten ihn zuletzt über ein Drittel aller Vorarlberger Wähler. Andererseits sorgten seine Besuche im Land immer wieder für kleinere und größere Aufreger. Eine Zusammenfassung von Kleinwalsertal bis Sulzberg.
Sebastian Kurz‘ erste Wahl in Vorarlberg war ein voller Erfolg. Die nunmehr türkise ÖVP verbesserte sich um 8,4 Prozentpunkte auf 34,7 Prozent. Nur in Tirol, Salzburg und Niederösterreich war die ÖVP stärker, österreichweit holte sie 31,47 Prozent. Bei der Wahl 2019 steigerten sich die Türkisen in Vorarlberg zwar noch einmal um 1,9 Prozentpunkte, allerdings schnitt die ÖVP nur in Wien und Kärnten schlechter ab.
Retusche eines Bildes
Erstmals nicht komplett nach Plan lief für Kurz ein Vorarlbergbesuch im April 2018. Die ÖVP veröffentlichte im Internet ein Foto des Kanzlers beim Mittagessen mit dem Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner in einem Dornbirner Restaurant. Hinter Kurz an der Wand hing ein Bild eines Mannes mit einer langen, selbstgedrehten Zigarre im Mund. Ein Pressemitarbeiter ersetzte das Bild durch ein Landschaftsbild. Das blieb nicht lange unerkannt und sorgte für Kritik und Spott.
Flüchtlingspolitik
Ein erster hörbarer Riss in der Beziehung zwischen Kurz und Vorarlberg brachte die Flüchtlingspolitik. Der Umgang mit Lehrlingen mit abgelehnten Asylbescheiden sorgte am Beispiel von Qamar Abbas für ein breites Bündnis, an dem sich auch viele von der Volkspartei beteiligten. Als im Herbst 2018 eine gut integrierte Familie aus Sulzberg von der Polizei abgeholt wurde, die schwangere Frau in Bregenz ins Spital musste, Mann und Kind aber bereits nach Wien in Schubhaft gebracht wurden, entlud sich der Protest bei einer Bürgerveranstaltung in Bregenz. Aus der gemütlichen Fragestunde wurde ein für Sebastian Kurz unerfreulicher Auftritt. Am selben Tag erklärte er im VN-Interview, dass es schließlich Vorarlberger Beamte gewesen seien, die diese Abschiebung angeordnet hätten. Wien könne nichts dafür. Diese Verteidigungslinie sorgte wochenlang für große Aufregung.
Mit einer Anzeige sah sich das politische Personal um Kurz und Wallner im Mai 2020 konfrontiert. Das Kleinwalsertal hatte in der Pandemie aufgrund der Grenzschließungen zu Deutschland mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Bei einem Besuch in Mittelberg wollte sich der Kanzler für seinen Einsatz für Grenzöffnungen feiern lassen. Der Schuss ging nach hinten los: Wenige Masken, kein Abstand und fehlende Sensibilität bei den politischen Entscheidungsträgern sorgten österreichweit für Verstimmung und Anzeigen bei der BH. Sie blieben ohne Folge.
Steinzeit-Sager
Im Juli 2021 war Kurz wieder in Vorarlberg zu Gast. Zu dieser Zeit stand der Klimawandel auf der politischen Tagesordnung ganz oben. Auf die Frage, ob es auch ohne Verzicht geht, antwortete Kurz im VN-Interview: „Ja, das kann man. Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass unser Weg zurück in die Steinzeit sein sollte.“ Der Steinzeitsager sorgte über Österreichs Grenzen hinaus für Schlagzeilen. Wenige Tage später blies dem Kanzler aufgrund einer anderen Passage in diesem Interview politischer Gegenwind ins Gesicht. Angesprochen auf seine Kritik an der Justiz erklärte Kurz: So wie es ihm darum gehe, Missstände bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) anzusprechen, sei es den Kritikern der Kirche um die Aufdeckung von Skandalen gegangen. „Keine Institution sollte sakrosankt sein.“
Anzeige
Seinen letzten Auftritt in Vorarlberg absolvierte Kurz vor wenigen Wochen. Zumindest sein Anwalt. Mitte November stand ein Bregenzer vor Gericht, weil er Kurz im Internet beleidigte. Kurz‘ Anwalt brachte eine Unterlassungsklage ein, der Bregenzer wurde verurteilt.
Eines steht fest: Der nächste Besuch in Vorarlberg wird für Kurz wesentlich entspannter. VN-MIP