Andreas Schieder fordert im VN-Interview zwei zusätzliche Feiertage und eine 30-Stunden-Woche

Politik / 29.04.2019 • 06:00 Uhr
Andreas Schieder fordert im VN-Interview zwei zusätzliche Feiertage und eine 30-Stunden-Woche
Andreas Schieder zieht als SPÖ-Spitzenkandidat in den EU-Wahlkampf. APA

SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder fordert im VN-Interview auch ein Verkaufsverbot für arbeitsrechtswidrig entstandene Produkte.

Wien SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder plädiert für eine 30-Stunden-Woche und einen Europa-Feiertag am 9. Mai. Er fordert ein Verkaufsverbot von Produkten, die unter widrigen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden und weniger EU-Förderung bei Körperschaftssteuern unter 25 Prozent.

Warum wollen Sie, dass der Europatag europaweiter Feiertag wird?

Ein Feiertag ist schön, weil man frei hat, aber auch darüber nachdenkt, warum das so ist. Der Europatag steht ja für vieles: etwa die Einheit Europas oder das Überwinden des Nationalismus nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die SPÖ-Listenzweite, Evelyn Regner, würde den Internationalen Frauentag am 8. März zum Feiertag machen. Geht sich beides aus?

Die Wirtschaft würde schnell darüber klagen. Ich glaube, beide Feiertage wären akzeptabel.

Sie wollen auf EU-Ebene Verbündete für eine Arbeitszeitverkürzung suchen. Ist eine 30-Stunden-Woche realistisch?

Mittelfristig ist das möglich. Schon heute bieten viele Firmen Modelle mit kürzerer Arbeitszeit und etwa langen Wochenenden oder freien Fenstertagen an.

Aber 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich?

Das muss das Ziel sein. Wir erleben einen großen technologischen Fortschritt und einen riesigen Sprung in der Produktivität. Wir erledigen heute in einer Arbeitsstunde viel mehr als vor zehn Jahren. Von diesem Fortschritt sollen nicht nur die Konzerne etwas haben, sondern auch die Menschen.

Wer von der Produktivität profitiert, hängt aber von der Branche ab.

Natürlich. Darum wird eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden nicht von heute auf morgen, sondern mittelfristig umgesetzt werden können.

Und was brauchen Unternehmer?

Wenn die Wirtschaft sagt, sie möchte die Arbeitszeitverkürzung nur über mehrere Feiertage und Urlaubstage einführen, werden die Arbeitnehmervertreter auch bereit sein, das zu verhandeln.

Aber was brauchen die Unternehmer?

Unternehmen brauchen vor allem den Schutz der hohen Technologie-, Forschungs- und Innovationskraft, die wir in Europa haben. Wir müssen vor allem die digitale Infrastruktur ausbauen und die Unternehmen vor unfairer Konkurrenz von außerhalb schützen.

Sie fordern ein Verkaufsverbot von Produkten aus Drittstaaten, wenn Hersteller die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) nicht erfüllen. Wie weit kann die EU gehen?

Wenn wir Kinderarbeit nicht wollen, müssen wir den Import von Produkten, in denen Kinderarbeit steckt, verbieten. Das soll für alle Bereiche gelten, die mit ILO-Kernarbeitsnormen festgelegt sind: Versammlungserlaubnis von Gewerkschaften, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit.

Wer überprüft das?

Über die Netzwerke der ILO ist das vor Ort gut möglich.

Der Markt würde dann auf den Kopf gestellt.

Nein, würde er gar nicht.

Ich denke nur an die Handys.

Da wird es Änderungen brauchen. Aber denken Sie etwa an Turnschuhe. Es ist nicht verständlich, dass wir in Europa welche brauchen, in denen Kinder ihr Kindesglück verlieren. Wenn Sie sich ansehen, wieviel Lohn- und wie- viel Marketingkosten bei einem Turnschuh ausmachen, dann wird es am Ende einfach so sein, dass die Produktion ein bisschen fairer bezahlt wird und die Firmen etwas weniger Profit machen.

Wie lange wird es dauern, ein Verkaufsverbot umzusetzen?

Je nach Wirtschaftszweig wird es zwischen einem Jahr und fünf Jahren machbar sein.

Wir müssten uns in dieser Zeit also was Neues für fast alle unsere Mobiltelefone überlegen…

Wir müssen an viele Dinge denken. Auch an die Bekleidungsindustrie oder Kaffeebauern und Kakaoproduzenten.

Sie schlagen auch vor, EU-Förderungen an ein angemessenes Steuerniveau für Unternehmen in der EU zu koppeln. Was ist angemessen?

Derzeit herrscht ein unfairer Steuerwettbewerb. Während die Körperschaftssteuer in Österreich 25 Prozent beträgt, liegt sie in Ungarn bei neun. Ungarn kann sich dieses Steuergeschenk an die Konzerne nur leisten, weil es über Umwege über EU-Förderungen finanziert wird. Wir finanzieren damit also den Steuerwettbewerb mit, der gegen uns eingesetzt wird. Auf gut Wienerisch: „Dem Dreck no a Watschn gebn, is bsonders blöd.”

Was wäre angemessen?

Ich bin dafür, dass wir in Europa für die KÖSt einen Mindeststeuersatz von 25 Prozent festlegen.