Baugewerkschafter: „Das macht Kurzarbeit sexy“

Politik / 20.03.2020 • 11:00 Uhr
„Wenn wir den Betrieb jetzt offiziell runterfahren, könnte das für eine Beruhigung sorgen und wir könnten die Zeit nutzen, um die Arbeitnehmer in Kurzarbeit zu bringen“, sagt Muchitsch. <span class="copyright">APA</span>
„Wenn wir den Betrieb jetzt offiziell runterfahren, könnte das für eine Beruhigung sorgen und wir könnten die Zeit nutzen, um die Arbeitnehmer in Kurzarbeit zu bringen“, sagt Muchitsch. APA

Baugewerkschafter Muchitsch fordert generellen Baustopp. Es brauche rasch eine Verordnung. Arbeitnehmer müssten in Kurzarbeit gebracht werden.

Wien Unternehmer am Bau hätten keine Argumente mehr, Kurzarbeit für ihre Mitarbeiter auszuschließen, sagt Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz. Er fordert eine Verordnung im Kampf gegen das Coronavirus auf Baustellen und einen generellen Baustopp in Österreich bis 13. April. Gestandene, finanzstarke Mittel- und Großunternehmen, die ihre Mitarbeiter einfach an das AMS abgeben, sollen laut Muchitsch keinen Cent von der staatlichen Unterstützung erhalten.

Die Lage am Bau ist chaotisch, die Rechtslage unklar. Was konkret muss geklärt werden?

Auch wenn es keine Verordnung für Baustellen gibt, fordere ich einen generellen Baustopp in ganz Österreich bis 13. April. Firmen und Arbeiter erreichen schon jetzt manche Baustellen nicht mehr, zum Beispiel weil Tirol aktuell unter Quarantäne ist. Manche Lieferanten dürfen nicht raus, andere nicht rein. Es ist – abseits aller gesundheitlichen Bedenken – einfach nicht mehr praktikabel.

Es sollten also alle Firmen auf Baustellen ihren Betrieb einstellen?

Ja, das müsste auch per Verordnung festgelegt werden. Wenn Firmen ihren Betrieb jetzt aufgrund ihrer Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter einstellen, wird ihnen von Bauherren mit einem Schadenersatz gedroht. Diese Pönalen können den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Wenn wir den Betrieb jetzt offiziell runterfahren, könnte das für eine Beruhigung sorgen und wir könnten die Zeit nutzen, um die Arbeitnehmer in Kurzarbeit zu bringen.

Müssen die Baustellen früher oder später nicht ohnehin ihren Betrieb runterfahren, da die Mitarbeiter den Abstand von einem Meter auf der Baustelle nicht einhalten können?

Bis Mitte nächster Woche bricht der Betrieb auf Großbaustellen so oder so zusammen. Es wird manche Lieferungen nicht mehr geben und Personal wegbrechen, da zigtausende Bauarbeiter aus den Nachbarländern nicht mehr einreisen dürfen. Wir brauchen aber auf jeden Fall eine Verordnung, damit sich die Bauherren und Unternehmer nicht gegenseitig mit Schadenersatzansprüchen den Kopf einschlagen.

Wie weit sind die Verhandlungen zu einem Baustopp schon fortgeschritten?

Wir verhandeln seit Samstag mit allen Beteiligten über eine vernünftige Verordnung und haben dadurch schon fünf Tage verloren, weil vielen der wirtschaftliche Profit wichtiger war, als der Schutz der Menschen und ihrer Gesundheit. Ich fordere den Bundeskanzler auf, rasch eine Verordnung zu veranlassen.

Viele Firmen haben ihre Arbeit schon eingestellt. Andere nicht.

Unternehmen, die ihren Betrieb schon eingestellt haben, haben das aus Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter getan. Viele Bauarbeiter fahren gemeinsam in Firmenautos zu ihren Baustellen, schlafen in Containern oder essen gemeinsam in ihren Aufenthaltsräumen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Coronavirus keinen Bogen um die Baustellen macht.

Die Strabag hat 11.000 Mitarbeiter beim Frühwarnsystem des AMS zur Kündigung angemeldet. Wie ordnen Sie diese Vorgehensweise ein?

Die Strabag hat vorsorglich gehandelt und ihre Mitarbeiter beim Frühwarnsystem angemeldet, das in vier Wochen schlagend wird. Diese Zeit müssen wir nützen, um die Arbeitnehmer in Kurzarbeit zu bringen. Wenn wir eine Verordnung für Baustellen hätten, müssten wir unsere Energie nicht mehr darauf konzentrieren, sondern könnten all unsere Kraft in die Beratung von Kurzarbeitszeitmodellen investieren. Bei der Strabag bin ich überzeugt, dass sie in Richtung Kurzarbeit gehen wird, weil sie weiß, dass sie nach der Krise wieder ihre Mitarbeiter braucht.

Unterscheidet sich das Kurzarbeitsmodell für den Bau von den anderen?

Ja, weil es eine zusätzliche Entlastung für die Bau-Arbeitgeber gibt. So wird es von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse für die Zeit in Kurzarbeit, in der nicht gearbeitet wird, keine Zuschläge bei Urlaub geben; bei Abfertigung und Überbrückungsgeld werden diese generell bis 15. Mai nicht verrechnet. Das bringt eine Entlastung von über 1000 Euro pro Beschäftigten und Monat. Das macht die Kurzarbeit richtig sexy. Die Unternehmerseite hat also keine Argumente mehr, die Kurzarbeit auszuschließen. Daher bin ich optimistisch.

Was können wir aus der Krise lernen?

Wir merken jetzt stark, welchem Unternehmen die Mitarbeiter wirklich wichtig sind und welche Betriebe sie leichtfertig zum AMS schicken. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Gestandene, finanzstarke Mittel- und Großunternehmen, die ihre Mitarbeiter einfach an das AMS abgeben, haben keinen Cent von der staatlichen Unterstützung verdient. Bei kleineren Betrieben sieht das natürlich anders aus. Sie haben oft keine andere Wahl.