Zukunftsforscher: Corona-Pandemie als klassischer schwarzer Schwan

Zukunftsforscher sieht Auslöser für entscheidende Kipppunkte im System.
Dornbirn Als zum Jahreswechsel die Sektkorken knallten, konnte wohl noch kaum jemand ernsthaft damit rechnen, dass 2020 eine globale Pandemie bereithält. „Das ist ein klassischer schwarzer Schwan, also etwas Unvorhergesehenes“, sagt der Dornbirner Zukunftsforscher Klaus Kofler. Zwar hätten Virologen seit den frühen 2000er-Jahren durchaus mit größeren Krankheitsszenarien, vor allem im Sinne einer Grippewelle spekuliert. Doch eine so tiefgreifende Krise hätten selbst Zukunftsforscher nicht in ihren Modellen abbilden können. Kofler hat das Impulszentrum „Trends & Wege“ ins Leben gerufen, außerdem ist er Mitbegründer der Future Design Akademie in Dornbirn und Wuppertal. Der Experte beschäftigt sich intensiv mit Trends, die noch passieren werden. Die möglichen Folgen der aktuellen Krise sind also besonders spannend für seine Branche.
Kein Blick in die Kristallkugel
Eines vorweg: Zukunftsforscher sagen nicht die Zukunft voraus. Sie beobachten, vereinfacht gesagt, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Veränderungen, um daraus mögliche Szenarien abzuleiten. Kofler verweist auf “Tipping points”, also Kipppunkte, die von schwarzen Schwänen ausgelöst werden. Diese Kipppunkte könnten Gestaltungsspielräume schaffen. „Treffen die Kipppunkte auf einen gewissen Zeitgeist und werden Menschen mobilisiert, dann kann das Flächenbrände auslösen.“
Treffen die Kipppunkte auf einen gewissen Zeitgeist, kann das Flächenbrände auslösen.
Klaus Kofler, Zukunftsforscher
Der Experte benennt aber nicht nur eine einzige mögliche Folge des schwarzen Schwans. Es könne nach der Krise auch auf der Normalspur weitergehen, die Standard-Zukunft sozusagen. „Wir blicken zurück und sagen okay, es hat uns einiges gekostet, es war eine einschneidende Erfahrung, aber wir machen einfach so weiter wie bisher. Das sehe ich als gefährlich an“, sagt Kofler. „Wir können aber auch völlig neue Entwicklungen lostreten.“ Für die zweite Variante müsse man sich aber vom Standardblick auf die Zukunft verabschieden.
Dieser orientiert sich laut Kofler derzeit an einem immer schnelleren, komplexeren, egoistischen und auf Konsum ausgerichtetes Weltbild. Das sei nicht in Stein gemeißelt. „Vielleicht wird man in Vorarlberg Regionalität grundlegend neu gestalten können. Natürlich wird uns die Globalisierung nicht abhandenkommen. Aber wir können sie neu denken. Das löst dann wieder eine Reihe von interessanten Fragen aus: Wie könnten grundlegende neue Geschäftsmodelle entstehen oder Formen des Zusammenlebens?“ Darüber nachzudenken, erfordere Mut und Arbeit. „Eines darf man nicht tun: die Situation romantisieren.“
An der Zukunft arbeiten
Kofler verweist darauf, dass das Zukunftsbild sehr linear geprägt sei. „Was übermorgen passieren könnte, interessiert uns nicht. Das liegt daran, dass es keine Zukunftskompetenz gibt. Zukunftsgestaltung wird nicht an den Schulen gelehrt.“ Deshalb würden sich die Menschen schwer damit tun, die Zukunftsbilder, denen man bisher gefolgt sei, zu hinterfragen. Es sei ihm umso wichtiger, darzulegen, dass Zukunft nicht etwas sei, das einfach passiere, bekräftigt der Experte. „Zukunft ist etwas, an dem man arbeiten muss.“