Die Lehren aus Ibiza für die Zeit nach Corona

Politik / 16.05.2020 • 13:00 Uhr
Die Lehren aus Ibiza  für die Zeit nach Corona
Am 17. Mai veröffentlichten „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ das Video aus Ibiza mit Heinz-Christian Strache (rechts) und Johann Gudenus. APA

Reformprojekte zu Postenvergaben und Parteienfinanzierung müssen zurück auf die Agenda.

WIen Ein Jahr nach Ibiza fällt es nicht leicht zu sagen, was sich verändert hat. Wir wissen, dass unsere Bundesverfassung Staatskrisen verhindert und das Amt des Bundespräsidenten notwendig ist. Wir erkannten, dass eine Expertenregierung funktioniert, aber auch ihre Grenzen hat. Wir erlebten, dass es jenseits von Rot-Schwarz und Türkis-Blau politische Mehrheiten gibt.

Ibiza verdanken wir jedenfalls Türkis-Grün und ein Regierungsprogramm mit mehr Klima- als Grenzschutz. Doch die Koalition musste schon nach zwei Monaten ihrer Angelobung in den Corona-Krisenmodus wechseln. Die Umsetzungstauglichkeit ihrer damaligen Verhandlungsideen wird sie uns also schuldig bleiben. Unabhängig davon, ob der Koalitionspakt neu verhandelt wird oder nicht: Viele Vorhaben sind bereits nach 100 Tagen im Amt Makulatur geworden.

Ohne Ibiza gäbe es heute jedenfalls keine derart perfekte Symmetrie der krisenbedingten Regierungskommunikation. Statt den beiden Duos Kurz und Kogler sowie Nehammer und Anschober hätte der Bundeskanzler in der alten Koalition allein mit Strache, Kickl und Hartinger-Klein die tägliche Pressekonferenz-Bühne betreten müssen. Die verkündeten Einschnitte in unsere Grundrechte hätten wohl weniger Akzeptanz erfahren.

Aber das ist Spekulation, daher lohnt es sich mehr auf Versäumtes zu achten. Etwa auf jene Reformprojekte, die nach Ibiza ganz oben auf der Politik-Agenda hätten landen müssen und wegen Corona wieder verschwunden sind. Wie Postenvergabe, Parteienfinanzierung und Wahlkampfgelder oder generell das Verhältnis zwischen Medien und Politik. Leider hat es das Beamtenkabinett Bierlein verabsäumt, der folgenden Regierung manch heiße Kartoffel abzunehmen. Doch spätestens mit Beginn des U-Ausschusses werden die rund um Ibiza offengelegten Fehlentwicklungen wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Statt der in vielen Bereichen ersehnten Rückkehr zur Normalität muss bei Finanzierungen und Jobs im politischen Bereich endlich für Transparenz und Konsequenz gesorgt werden.

Was haben wir noch Ibiza zu verdanken? Die FPÖ kann eine derzeit für rechtspopulistische Protestparteien historisch günstige Situation mit Rekordarbeitslosigkeit und Zukunftsängsten nicht nutzen. Doch die anderen Parteien dürfen die Schwäche der FPÖ nicht mit ihrer Stärke verwechseln. Nur mit einer konsequenten Aufarbeitung von Ibiza bis Corona gelingt es, Demokratie zukunftsfähig und krisenresistent zu machen.