Grenzen dicht: Slowenien und Italien auf der Wartebank

EU-Rechtler hält Position gegenüber Ljubljana für überschießend. Auch Rom könnte sich wehren.
Wien In knapp zwei Wochen sollen die Grenzen zu Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein öffnen. Im Vier-Länder-Eck kehrt also langsam, aber sicher wieder die Normalität zurück. Österreich plant einen ähnlichen Schritt mit mehreren östlichen Nachbarländern. Einzig Italien und Slowenien müssen sich gedulden. Die Bundesregierung begründet die Vorgehensweise damit, dass Italien stark von der Coronakrise betroffen gewesen sei. Die Zurückhaltung gegenüber Slowenien, das nur sehr wenige Fälle verzeichnet, erklärt sie mit der Grenze des Landes zu Italien. Der Weg dorthin wäre also geöffnet.
Ljubljana und Rom sind empört. Wie es weitergeht, ist unklar. Doch je näher die Sommersaison rückt, desto dringender wird die Frage, ob Österreich bei seiner harten Position gegenüber diesen beiden Ländern bleiben kann. Europarechtler Werner Schroeder verweist auf das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Dieses ist in den EU-Verträgen sowie in der Unionsbürger-Richtlinie geregelt. Artikel fünf dieser Richtlinie besagt, dass die Mitgliedsstaaten EU-Bürgern sowie ihren Familienangehörigen unbeschadet der möglichen Kontrolle von Reisedokumenten an den Grenzen die Einreise zu gewähren haben. Allerdings gibt es Einschränkungen, etwa aus Gründen der öffentlichen Ordnung. Ein solcher Grund ist die Coronapandemie.
Verhältnismäßigkeit nötig
Der EU-Rechtler von der Universität Innsbruck gibt zu bedenken: „Die Einschränkung muss verhältnismäßig und sachlich geboten sein, und darf auch nicht aus wirtschaftlichen Zwecken erfolgen.“ Zwar sei es durchaus legitim, Unterschiede zwischen den Staaten zu machen, etwa, wenn die Infektionszahlen in manchen Ländern hoch seien. „Doch es darf nicht zur Diskriminierung kommen. Man muss sich an objektiven Gesichtspunkten orientieren, an der epidemiologischen Entwicklung.“ Es gehe stets um die Frage, ob die Maßnahmen erforderlich und angemessen seien. „Eine Beschränkung der Reisefreiheit ist ein starker Eingriff in die Freizügigkeit.“
Eine Beschränkung der Reisefreiheit ist ein starker Eingriff in die Freizügigkeit.
Werner Schroeder, Europarechtsexperte
Im Hinblick auf Österreichs Haltung gegenüber Slowenien glaubt Schroeder an ein Abwägungsproblem. „Wir leben im Binnenmarkt. Es könnte auch jemand aus Italien nach Deutschland fliegen und dann von dort einreisen. Die Kosten sind aber hoch, finanziell und zeitlich.“ Statt die Grenzen zu Slowenien einfach pauschal dicht zu machen, wäre ein gelinderes Mittel möglich. „Die Menschen könnten bei der Einreise glaubhaft machen, welchen Weg sie gewählt haben, etwa mit einer Hotelbestätigung.“ Dem Experten zufolge hat Slowenien in den Gesprächen mit Österreich europarechtlich gesehen gute Karten.
Vorwurf des Tourismus-Dumpings
Schwieriger ist die Sache mit Italien. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bezeichnet das Land nach wie vor als Hotspot. Man müsse weiterhin vorsichtig bleiben. Rom will das nicht hinnehmen, und verweist auf sinkende Infektionszahlen. Friauls Präsident Massimiliano Fedriga wirft Österreich sogar Tourismus-Dumping vor. Auf die Frage, ob sich Italien rechtlich gegen den vermeintlichen Protektionismus wehren könne, sofern Wien bei seiner harten Haltung bleibt, sagt EU-Rechtler Schroeder: „Theoretisch ja.“ Das Land könne damit argumentieren, dass es einen potenziellen Schaden erlitten habe. Eine Vertragsverletzungsklage sei aber das äußerste Mittel.
In so einem Fall muss sich zunächst die EU-Kommission mit dem Thema befassen und Stellungnahmen der betroffenen Staaten einholen. Wird sie dann nicht selbst aktiv, ist der Weg für eine Klage des Landes beim Europäischen Gerichtshof frei.