“Das Strafrecht führt nicht zu einem achtsameren Umgang der Geschlechter”

Politik / 31.07.2020 • 07:00 Uhr
"Das Strafrecht führt nicht zu einem achtsameren Umgang der Geschlechter"
Justizministerin Alma Zadic (Grüne) möchte es strafrechtlich verbieten, anderen heimlich unter den Rock zu fotografieren und die Aufnahmen zu verbreiten. APA

Strafrechtlerin sieht Vorhaben der Regierung zu “Upskirting”-Verbot kritisch.

Wien Eine Rolltreppe zu benutzen ist eigentlich völlig unbedenklich. Man fährt hoch, ahnt nichts Böses, und plötzlich – Klick! – fotografiert ein Mann mit seinem Handy unter den Rock einer Frau. Eine Straftat ist das nicht. Wird er erwischt, gibt es aber Möglichkeiten, ihn rechtlich zu ahnden; unter anderem datenschutz- oder zivilrechtlich, erklären die Juristinnen Margarethe Flora und Caroline Voithofer von der Uni Innsbruck. Im Strafrecht sollte ein „Upskirting“-Verbot aber nicht verankert werden, dieses müsse die Ultima Ratio bleiben, sagt Strafrechtsprofessorin Flora.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sieht das anders. Sie möchte es strafrechtlich verbieten, anderen heimlich unter den Rock zu fotografieren und die Aufnahmen zu verbreiten. Die Briten haben ein solches Verbot bereits umgesetzt. Wer heimlich unter Röcke fotografiert, muss bei ihnen mit bis zu zwei Jahren Gefängnis rechnen. Verurteilte werden als Sexualstraftäter registriert. Auch Deutschland ist nachgezogen. Österreichs Bundesregierung möchte “Upskirting” im Zuge ihres Pakets gegen Hass im Netz strafrechtlich verbieten. 

Zivilrechtsexpertin Voithofer erklärt, dass bereits Schadensersatzansprüche bestehen könnten. Beim Fotografieren unter den Rock würde das Recht auf Datenschutz verletzt, da die Fotos meistens mit dem Handy gemacht und auf dem Gerät gespeichert werden, das noch dazu mit dem Internet verbunden sei. Würden erlangte Daten widerrechtlich benützt, anderen zugänglich gemacht oder veröffentlicht, sehe das Datenschutzgesetz sogar eine gerichtliche Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor. Fraglich sei aber, ob beim “Upskirting” eine Benützung der Daten im Sinn des Gesetzes passiere. Hier wäre laut Voithofer eine Klärung wichtig.

Könne kein Schadenersatz nach dem Datenschutzgesetz erlangt werden, greife die zivilrechtliche Bestimmung des Rechts auf die Wahrung der Privatsphäre. “Jeder, der rechtswidrig und schuldhaft die Privatsphäre des Menschen verletzt, muss für den dadurch entstandenen Schaden haften.” Ob und in welcher Höhe Schadenersatzanspruch besteht, beurteile aber das Gericht. Damit bestehe für Betroffene Unsicherheit.

Strafrechtsprofessorin Flora erinnert daran, dass das Strafrecht die Ultima Ratio bleiben müsse. Es sollte beim “Upskirting” nicht zur Anwendung kommen, auch wenn die Erlebnisse für Betroffene extrem unangenehm seien, meint sie. “Die Ultima-Ratio-Funktion des Strafrechts tritt leider immer mehr in den Hintergrund, um sozial unerwünschte Verhaltensweisen zu sanktionieren. Aber einen achtsameren Umgang der Geschlechter wird man mittels Strafrecht nicht erreichen können.”