Ein echtes Dilemma
Das Stauchaos wegen der neuen Einreiseverordnung und die wechselseitigen Schuldzuweisungen zwischen Gesundheitsministerium und Kärntner Behörden sind ein Musterbeispiel dafür, wie man größtmögliche Unzufriedenheit der Bürger mit dem Staat und innerhalb der Verwaltung Misstrauen produzieren kann.
„Eine widersprüchliche Verordnung anwenden oder nur stichprobenartig kontrollieren und so oder so einen Rechtsverstoß riskieren?“
Es beginnt damit, dass in der entscheidenden Passage der Verordnung steht, dass sie auf die Durchreise ohne Zwischenstopp nicht anzuwenden ist. Im folgenden Satz wird aber bestimmt, dass alle Durchreisenden ein Formular auszufüllen und zu unterschreiben haben. Was gilt jetzt? Ein grober handwerklicher Mangel, der bei der Formulierung der Vorschrift wieder einmal unterlaufen ist. Angeblich sollen die beiden besten Juristen des Ministeriums gerade im Urlaub sein. Wir wünschen ihnen, dass sie sich nicht gerade auf der Heimreise von Kroatien befunden haben.
Der steirische Bezirkshauptmann von Leibnitz hat aufgrund dieser Widersprüchlichkeit die weise Entscheidung getroffen, nur stichprobenartig zu kontrollieren. Sein Kollege in Kärnten ließ am Karawankentunnel hingegen alle Durchreisenden kontrollieren, was den bekannten Stau verursachte. Woher sollten die deutschen und niederländischen Touristen wissen, dass das österreichische Gesundheitsministerium gerade ein neues Formular ins Internet gestellt hatte? Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als es an der Grenze auszufüllen.
Die Entscheidung war wohl nicht besonders klug, zynisch ist jedoch die Aussage der Generalsekretärin im Gesundheitsministerium Stilling, die meinte, man hätte selbstverständlich nicht jeden kontrollieren müssen. In öffentlichen Verkehrsmitteln werde auch nur stichprobenartig geprüft, ob die Passagiere Tickets hätten. Dieser Vergleich hinkt: In den Zügen und Bussen besitzen die meisten Fahrgäste gültige Fahrscheine – bei den Durchreisenden an der Grenze war hingegen klar, dass praktisch niemand das Formular besitzen konnte. Der Aussage der Generalsekretärin widerspricht außerdem, dass vom Bundeskanzler abwärts die Gesundheitsbehörden in den letzten Tagen immer wieder aufgefordert worden waren, die Grenzkontrollen zu verschärfen. Was tun? Eine widersprüchliche Verordnung anwenden oder nur stichprobenartig kontrollieren und so oder so einen Rechtsverstoß riskieren? Ein echtes Dilemma.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck. peter.bussjaeger@vn.at
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