Wie Trump doch noch gewinnen könnte

Politik / 14.11.2020 • 12:00 Uhr
Wie Trump doch noch gewinnen könnte
Der amtierende Präsident spricht immer wieder von Wahlfälschung – ohne Beweise vorzulegen. AFP

Ein legaler Coup ist aus Expertensicht unwahrscheinlich, aber möglich.

Washington Der amtierende US-Präsident Donald Trump will nicht aufgeben. Zwar steht sein demokratischer Konkurrent Joe Biden als Sieger der Präsidentschaftswahl vom 3. November fest. Doch Trump wird nicht müde, immer wieder von Wahlfälschung zu sprechen – obwohl er keinerlei Beweise für seine Vorwürfe vorgelegt hat. „Wir werden gewinnen“, schrieb der Republikaner kürzlich auf Twitter. Doch kann er das überhaupt? „Theoretisch, ja“, sagt Politologe und USA-Experte Reinhard Heinisch von der Universität Salzburg. Auch wenn es unwahrscheinlich sei. „Seine Chancen sind nicht null.“

Die Präsidentschaftswahl fand in der vergangenen Woche statt. Biden hat sich 306 Stimmen für die Wahlleuteversammlung gesichert. Deshalb ist sein Sieg klar. Für die Mehrheit reichen 270. Trump liegt bei 232 Stimmen.

Indirekte Wahl

In den USA wird der Präsident nur indirekt gewählt. Die Stimmen der Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das am 14. Dezember zusammentritt und dann über den nächsten Präsidenten entscheidet. Auf dieser Versammlung könnten Trumps Hoffnungen liegen, wie Politikwissenschaftler Heinisch erläutert. „Er wäre in der Lage, einen verfassungsgedeckten Coup einzuleiten und dadurch an der Macht zu bleiben.“ Ob Trump das tatsächlich mache, sei zum aktuellen Zeitpunkt schwierig einzuschätzen. Im Gespräch mit den VN schildert der Experte aber einige Szenarien:

Trump wäre in der Lage, einen verfassungsgedeckten Coup einzuleiten.

Reinhard Heinisch, Politologe und USA-Experte

So könnte Trump in republikanisch kontrollierten Staaten, in denen er knapp verloren hat, Druck auf die Wahlbehörde ausüben – mit dem Ziel, dass kein offizielles Endergebnis ausgerufen wird. Als Beispiele kämen Georgia oder Arizona in Frage. Wegen der Unsicherheit könnte die republikanische Regierung sich dazu berufen fühlen, Wahlleute der eigenen Partei ins Kollegium nach Washington zu entsenden.

Auch Staaten, die weder der einen noch der anderen Partei zugeordnet werden können, sind laut Heinisch nicht vor dieser Taktik gefeit. Zum Beispiel das wichtige Pennsylvania mit seinen 20 Wahlleuten. Dort gibt es einen demokratischen Gouverneur, aber ein mehrheitlich republikanisches Parlament. Bei einem fehlenden Endergebnis könnten konkurrierende Delegationen in die Wahlleuteversammlung geschickt werden. Der USA-Experte spricht von einer Patt-Situation. „Biden würde um die 20 Stimmen dieses Bundesstaates umfallen.“

Weitere Möglichkeiten ergeben sich für Trump auf juristischem Weg. Sein Team hat schon in mehreren Bundesstaaten Anschuldigungen erhoben und Klage eingereicht. Bei jeder Wahl gebe es kleinere Ungereimtheiten, erklärt Heinisch. Theoretisch könne man die Gerichte sehr lange damit beschäftigen – über mehrere Instanzen. Sogar der Oberste Gerichtshof auf Bundesebene könnte angerufen werden. Justizminister William Barr hat bereits den Weg für Untersuchungen der Staatsanwälte vor Bekanntgabe des Endergebnisses freigemacht. „Die Strategie besteht darin, auf Zeit zu spielen, um ein offizielles Ergebnis bis zum 14. Dezember zu verhindern.“ Dann müsste in den betroffenen Bundesstaaten wiederum politisch entschieden werden, welche Wahlleute ins Kollegium nach Washington entsendet werden.

Trump im Vorteil

Wenn dieses Gremium zu keiner eindeutigen Entscheidung kommt, ist Trump gegenüber Biden im Vorteil. Hat nämlich kein Kandidat die nötigen 270 Stimmen, entscheidet das Repräsentantenhaus. Es wird nicht nach einzelnen Abgeordneten, sondern nach Bundesstaaten abgestimmt. Heinisch erklärt: „Da es mehr republikanisch regierte Bundesstaaten gibt, hätte Trump eine Mehrheit.“