Tigray droht Katastrophe

In Lustenau lebender Äthiopier fordert Hilfe für seine Heimat.
Lustenau, Addis Abeba Im Norden Äthiopiens, in der Region Tigray an der Grenze zu Eritrea, ist ein Konflikt zwischen der Zentralregierung Äthiopiens unter Ministerpräsident Abiy Ahmed und der Regierung des Bundeslandes Tigray eskaliert. Im November schickte die Regierung Soldaten nach Tigray, es kam zu Gefechten mit der Volksbefreinugsfront TPLF. In der Folge wurden über 2,2 Millionen Menschen vertrieben, die verbliebenen 4,5 Millionen Menschen schlitterten in eine humanitäre Katastrophe. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), der zuletzt nach Äthiopien reiste, sagte es gebe „sehr beunruhigende Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Berichte über Massaker, die erschreckend sind“.
Der gebürtige Äthiopier Weldeyohannes Tesfay ist Religionslehrer an der PG/HLW Sacré Coeur Riedenburg und der Gascht Hohenems. Er stammt aus Tigray und lebt seit Jahren in Lustenau, der Heimatgemeinde seiner Frau. Der 40-Jährige hält Kontakt zu seinen Verwandten in der Konfliktregion und zeichnet ein düsteres Bild von der Situation im Norden des armen Landes.
Zugang zur Region blockiert
„Menschen, die beim Ausbruch des Krieges im November nicht rechtzeitig geflohen sind, haben eigentlich keine Möglichkeit mehr zur Flucht. Die Zentralregierung blockiert systematisch die gesamte Region“, beklagt Tesfay. Auch seine Familie sei betroffen. „Ich versuche nahezu täglich, Kontakt mit meinen Verwandten aufzunehmen. Meine Brüder riskieren ihr Leben, um durch das Kriegsgebiet hindurch in die Hauptstadt zu gelangen. Nur von dort aus ist es möglich, überhaupt ein Telefongespräch zu führen.“ Durch diese spärlichen Telefonate wisse er, wie schlimm es um die Menschen in seiner Heimat wirklich steht. Soldaten aus dem benachbarten Eritrea, die Abiy Ahmed in den Krieg miteinbezogen habe, würden mit einer unfassbaren Grausamkeit vorgehen. „Die Zivilbevölkerung wird verschleppt, vergewaltigt und umgebracht. Es werden Dörfer und Städte in Tigray geplündert, die Felder werden zerstört“, berichtet Tesfay. „Es gibt Hunger, zerrissene Familien, Kinder ohne Eltern, Kranke und Alte ohne jegliche Betreuung, eine zerstörte Infrastruktur.“ Durch das Einfrieren aller Bankkonten könnten die Menschen auch nicht auf ihr Geld zugreifen.
Die Regierung in Addis Abeba bestreitet zwar den Einsatz eritreischer Soldaten, Berichte von deren Eingreifen in den Konflikt sind jedoch zahlreich, Außenminister Schallenberg spricht von „glaubwürdigen Indizien“ dafür. Er habe außerdem beim Zusammentreffen mit Spitzenpolitikern des Landes einen ungehinderten humanitären Zugang nach Tigray gefordert, der derzeit nicht gegeben sei. Diese Forderung stellen auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR – und Weldeyohannes Tesfay.
Der Regierung von Abiy Ahmed – für seinen Friedensschluss mit Eritrea wurde er 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – „verhindert systematisch jegliche humanitäre Hilfe von außen“, berichtet Tesfay, der den Tod von Millionen Menschen befürchtet, wenn nicht bald Hilfe kommt. „Was in Tigray derzeit passiert, spottet jeder Menschlichkeit“, so der Lustenauer Religionslehrer. emu, VN-pes
„Es gibt Hunger, zerrissene Familien, Kinder ohne Eltern, zerstörte Infrastruktur.“
