Militär an der Macht

Putsch in Myanmar: Suu Kyi und andere Politiker festgesetzt.
naypyidaw In Myanmar hat die Armee einen einjährigen Ausnahmezustand ausgerufen. Eine entsprechende Erklärung der Streitkräfte wurde am Montag im Fernsehen des südostasiatischen Landes verlesen. Zuvor hatte die Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) mitgeteilt, dass die bisherige De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, Präsident Win Myint und weitere ranghohe Politiker des Landes von der Armee festgesetzt worden seien. Ob sie festgenommen oder unter Hausarrest genommen wurden, war vorerst unklar.
Zwischen der zivilen Regierung und dem mächtigen Militär hatte es wegen Vorwürfen des Wahlbetrugs bei der Parlamentswahl vom November Spannungen gegeben. Die NLD gewann die Abstimmung klar, das Militär weigert sich jedoch, das Ergebnis anzuerkennen. Suu Kyi forderte in einer Erklärung die Bevölkerung auf, den Militärputsch im Land nicht hinzunehmen. Die Armee versuchte indes zu beschwichtigen und versprach Neuwahlen nach dem einjährigen Ausnahmezustand.
Nach einem Putsch 1962 stand das Land fast ein halbes Jahrhundert lang unter einer Militärdiktatur. Suu Kyi setzte sich in den 1980er-Jahren für einen gewaltlosen Demokratisierungsprozess ein und wurde deshalb 15 Jahre unter Hausarrest gestellt. 1991 erhielt sie den Friedensnobelpreis. Erst seit 2011, als erstmals wieder eine zivile Regierung eingesetzt wurde, kamen zaghafte Reformen in Gang.
Suu Kyi hatte sich bei der Parlamentswahl eine zweite Amtszeit gesichert. Ihre NLD holte nach offiziellen Angaben die absolute Mehrheit. Doch auch nach der Wahl blieb Suu Kyi auf die Kooperation mit dem Militär angewiesen. Ein Viertel der Sitze in den Parlamentskammern blieb für die Streitkräfte reserviert. Wegen einer anderen Klausel konnte Suu Kyi nicht Präsidentin werden, regierte aber als Staatsrätin und somit De-facto-Regierungschefin. Im eigenen Land ist die Politikerin sehr beliebt. International gilt sie mittlerweile aber als umstritten. Versprochene demokratische Reformen blieben weitgehend aus. Auch wird Suu Kyis Schweigen zur Gewalt gegen die Minderheit der Rohingya äußerst kritisch gesehen. Mehr als eine Million Rohingya sind vor den brutalen Übergriffen des Militärs nach Bangladesch geflohen.

Stichwort
Vielvölkerstaat Myanmar
Myanmar (früher: Birma) liegt zwischen Indien und China und hat knapp 54 Millionen Einwohner. Die Bevölkerung setzt sich aus mehr als 130 Ethnien zusammen. Zwei Drittel sind Bamar, so auch De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und fast die gesamte Staats- und Militärelite. Die größten ethnischen Gruppen: die Chin, die Kachin, die Karenni und die Karen. Die Minderheiten leben in den teils an Bodenschätzen reichen Grenzgebieten. Seit 1948 kämpfen viele um Unabhängigkeit oder Autonomie. International steht besonders die staatliche Diskriminierung der Rohingya in der Kritik.