Die Sache mit der Hausdurchsuchung

Dass Hausdurchsuchungen durch die Polizei nicht mehr willkürlich stattfinden dürfen, war ein großer Erfolg der Reformen nach der bürgerlichen Revolution von 1848 und eine der wenigen, die später nicht wieder zurückgenommen wurden. Das Gesetz zum Schutze des Hausrechtes von 1852 sieht vor, dass eine Hausdurchsuchung in der Regel „nur kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehles unternommen werden“ darf. Es steht noch heute im Verfassungsrang.
Kompliziert wird es aber bei der Frage, was überhaupt eine Hausdurchsuchung ist. Die gerichtlich bewilligte Razzia hat nämlich eine kleine Schwester, die „freiwillige Nachschau“. Taucht die Polizei bei jemandem auf, kann er sie auch ohne Durchsuchungsbefehl in seine Wohnung lassen. Sie schaut nach, er lässt das freiwillig zu. Es ist ein Albtraum für Anwälte. Denn im Gegensatz zur Durchsuchung hat man bei einer Nachschau keine Möglichkeit, sich bei Gericht wegen deren Rechtswidrigkeit zu beschweren.
Aktuell ist das ein Problem für Finanzminister Gernot Blümel: Als die Kriminalpolizei nach seinem Besprechungstermin mit der Staatsanwaltschaft am 11. Februar nämlich mit ihm zu seiner Wohnung fuhr, um diese unter die Lupe zu nehmen, sei das eine „freiwillige Nachschau“ gewesen, behauptete Blümel hinterher. Mittlerweile spricht er jedoch davon, auf Rechtsmittel gegen die Hausdurchsuchung verzichten zu wollen. Beides ist schwer möglich: Entweder es fand eine freiwillige Nachschau statt, dann hat Blümel gar keine Möglichkeit einer Beschwerde, oder es war eine Hausdurchsuchung und er verzichtet darauf.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) selbst geht von einer Hausdurchsuchung aus und hat wohl auch Anlass dazu. In Wahrheit hatte Blümel nämlich keine Möglichkeit mehr, den Besuch der Kriminalpolizei abzuwehren. Die gerichtlich bewilligte Anordnung der Staatsanwaltschaft lag da bereits vor. Dass er nun auf Rechtsmittel verzichten will, weil er „das Verfahren nicht verzögern, sondern beschleunigen“ möchte, ist nobel. Eine Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung hätte die Ermittlungstätigkeiten aber nicht wirklich gebremst. Der Verzicht darauf ist umso erstaunlicher, als Blümels Parteifreund, der Abgeordnete Christian Stocker im Nationalrat erklärt hat, die Hausdurchsuchung beim Minister wäre womöglich nicht die letzte der WKStA, die rechtswidrig sein könnte. Wieso man zuerst behauptet, es habe keine Hausdurchsuchung gegeben, um dann deren Rechtmäßigkeit in Zweifel zu ziehen, aber schließlich doch auf eine Beschwerde dagegen zu verzichten, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Zumindest erhält das Oberlandesgericht Wien so keine Gelegenheit, womöglich die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung festzustellen.
Moritz Moser ist Journalist in und aus Feldkirch. Twitter: @moser_at