Viele offene Fragen zur Reform

Regierung bekennt sich zu Bundesstaatsanwalt. Details sind noch unklar.
wien Die türkis-grüne Regierung hat ihren Plan, einen unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt einzurichten, am Mittwoch im Ministerrat zumindest formal festgeschrieben. Auf die konkrete Ausgestaltung haben sich ÖVP und Grüne aber noch nicht geeinigt. „Die Details werden noch verhandelt“, erklärte Vizekanzler Werner Kogler, der den Grundsatzbeschluss nach dem Ministerrat gemeinsam mit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler präsentierte (ÖVP). Die Ernennung solle jedenfalls am Schluss formal durch den Bundespräsidenten erfolgen. Einen konkreten Zeitpunkt wollte Kogler nicht nennen – die Regierung wolle möglichst viele Beteiligte anhören, und das werde Zeit in Anspruch nehmen.
Berichterstattung in Gefahr?
Dass die ÖVP im Rahmen der Justizreform offenbar auch die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren erschweren will, sorgte für ordentliche Aufregung. Über das Ansinnen hatte zuerst die Tageszeitung „Kurier“ berichtet. Nach deutschem Vorbild solle untersagt werden, dass Medien aus von Anwälten weitergegebenen Ermittlungsakten zitieren dürfen. Außerdem wolle die ÖVP den Ermittlern die „überschießende Auswertung“ von Kommunikation verbieten. In Deutschland dürfen Dokumente eines Strafverfahrens erst im Wortlaut veröffentlicht werden, wenn sie in öffentlicher Verhandlung erörtert wurden.
Pikant ist die Sache, da die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Sachen Ibiza- und Glücksspielaffäre auch frühere und aktive ÖVP-Politiker ins Visier genommen hat. Die Ermittlungen stützen sich unter anderem auf die Auswertung von Handynachrichten. Zuletzt wurde ein SMS von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) aus dem Jahr 2017 publik, in dem er diesen um einen Termin beim damaligen Außenminister Sebastian Kurz bat, um über eine Spende und „ein Problems, das wir in Italien haben“ zu sprechen. Die SMS soll Auslöser für die Ermittlungen der WKStA gegen Blümel inklusive der Hausdurchsuchung am 11. Februar beim Finanzminister gewesen sein. Vom grünen Koalitionspartner kam ein deutliches Nein zu den kolportierten Wünschen der ÖVP: „Einschränkungen der Pressefreiheit waren und sind nicht Gegenstand der Verhandlungen“, sagte die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer.
„Ermittlungsverfahren sollen unabhängig und ohne öffentlichen oder politischen Druck geführt werden können. Dabei gilt es ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu berücksichtigen, die Pressefreiheit zu schützen und gleichzeitig mediale Vorverurteilung zu vermeiden“, lautet der Text des Ministerratvortrages. Edtstadler sagte Pressefoyer, es müsse das Ziel der unabhängigen Justiz sein, dass bei einem nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren alles getan wird, Leaks in den Medien zu vermeiden.
Abweichende Stellungnahmen
Bereits zu Beginn der Woche hatte die Regierung das Informationsfreiheitspaket in Begutachtung geschickt. Es bringt unter anderem eine Möglichkeit für Richter des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), abweichende Stellungnahmen zu Entscheidungen abzugeben. VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter hält davon wenig. „Ich war immer schon skeptisch, und die Skepsis hat zugenommen“, sagte Grabenwarter in der „ZiB2“. Die 14 Richter würden als Kollegium unabhängiger Juristen arbeiten; Ziel sei gemeinsame, einheitliche Entscheidungen zu treffen, an denen sich die Bürger orientieren könnten.
„Einschränkungen der Pressefreiheit waren und sind nicht Gegenstand der Verhandlungen.“