Der Elefant, der Esel und die Tiger
Der Esel ist das Maskottchen der amerikanischen Demokraten – im Gegensatz zum Elefanten der Republikaner. Nicht etwa, weil der Esel so dumm wäre: Das demokratische Grautier geht zurück auf die Wahlkampagne des Präsidenten Andrew Jackson 1828, der von seinen Gegnern als „Jackass“ geschmäht wurde. Prompt münzte er dies positiv um – denn schließlich verkörpere der Esel Sturheit, Willensstärke und Beharrlichkeit. Wird der neue US-Präsident Joe Biden diesem Anspruch gerecht – insbesondere gegenüber den asiatischen Tigern? Biden hat „America is back!“ zu seinem Wahlspruch gemacht – als Kontrast zu Trumps „Make America great again!“
Das Gespann Obama-Biden hatte China seinerzeit noch als potenziellen Partner gesehen. Seither hat sich dies geändert: Der neue US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hat China als größte Bedrohung für die USA bezeichnet. Die Demokraten haben damit Trumps Sichtweise übernommen, ja diese sogar übertroffen. Die Verbündeten in der südostasiatischen Region sollten sich auf einen „langfristigen strategischen Wettbewerb“ mit dem Reich der Mitte einstellen, erklärte Biden. Zugleich gelobte er, weltweit für Demokratie zu kämpfen, sie „zu verteidigen, zu stärken, zu erneuern“.
China hat strategisches Interesse an Myanmar, das die Brücke zwischen Südostasien und dem indischen Subkontinent bildet. Peking verharmlost den Armeeputsch denn auch als bloße „Kabinettsumbildung“. Die amerikanisch-chinesische Rivalität in Südostasien verschärft sich. Die südostasiatischen Regimes sehen sich in einem Dilemma: Insgeheim erhoffen sie sich Unterstützung durch die USA, doch scheuen sie vor einem klaren Positionsbezug und der Konfrontation mit China zurück. Der atomare Schutzschirm der USA erstreckt sich über die wirtschaftlich starken „Tiger“, die Demokratien Südkorea, Taiwan und Japan, die sich durch China zunehmend bedroht fühlen. Insbesondere Japan ist skeptisch, ob Biden genügend Stärke zeigen wird. Über Südkorea hängt das Damoklesschwert einer erzwungenen Wiedervereinigung mit dem stalinistischen Norden und Taiwan sieht sich durch das Säbelrasseln Chinas immer mehr bedroht – Invasion und Annexion sind von Gespenstern zu realen Gefahren geworden. Wird Biden die nötige Willensstärke und die Beharrlichkeit des sprichwörtlichen Esels aufbringen?
„Wird Biden gegenüber China die nötige Beharrlichkeit aufbringen?“
Charles E.
Ritterband
charles.ritterband@vn.at
Dr. Charles E. Ritterband ist Journalist und Autor sowie langjähriger Auslandskorrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (seit 2001 in Wien).