Vor dem Machtwechsel

Politik / 18.06.2021 • 22:39 Uhr
Die Wahl des ultrakonservativen Justizchefs Ebrahim Raisi galt als nahezu sicher. reuters/wana
Die Wahl des ultrakonservativen Justizchefs Ebrahim Raisi galt als nahezu sicher. reuters/wana

Iran wählt neuen Präsidenten. Sieg Raisis erwartet.

teheran Im Iran sind am Freitag bei einer Präsidentenwahl die Weichen für einen Machtwechsel gestellt worden. Nach dem Ausschluss aller aussichtsreichen Kandidaten galt die Wahl des ultrakonservativen Justizchefs Ebrahim Raisi als nahezu sicher. Das geistliche Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Khamenei, gab in der Hauptstadt Teheran als Erster seine Stimme ab.

Der scheidende Präsident Hassan Rohani galt als letztes Bollwerk gegen die erzkonservativen Kräfte, die sich bereits die Kontrolle über das Parlament gesichert haben. Außenseiterchancen werden dem reformorientierten Ökonomen Abdolnasser Hemmati eingeräumt, der auf Proteststimmen hofft. Raisi war vor fünf Jahren klar dem jetzigen Präsidenten Rohani unterlegen, der aber nach zwei Amtszeiten nicht neuerlich antreten durfte.

Von den ursprünglich knapp 600 Bewerbern hatte der Wächterrat nur sieben Kandidaten zugelassen. So durfte der moderat-konservative Ex-Parlamentspräsident Ali Larijani, Chefunterhändler des Atomabkommens, überraschenderweise nicht kandidieren. Drei weitere Anwärter warfen zwei Tage vor der Abstimmung das Handtuch. Raisi ist ein enger Verbündeter Khameneis und gilt auch als möglicher Nachfolger des 82-Jährigen.

Brisante Beteiligung

Rund 59 Millionen Iraner waren wahlberechtigt. Erste Ergebnisse werden am Samstag oder spätestens am Sonntag erwartet. Der neue Präsident soll im August vereidigt werden. Vor der Wahl hatte es bereits heftige Proteste gegeben. Auslöser war die Entscheidung des Wahlgremiums, mehrere Spitzenkandidaten ohne Erklärung auszusortieren. Unter den zugelassenen Kandidaten sind ein erzkonservativer Kleriker, ein Reformer, ein ehemaliger General sowie ein Hardliner. Politisch brisanter als das vorhersehbare Wahlergebnis wäre eine niedrige Wahlbeteiligung. Sie könnte als Misstrauensvotum gegen das gesamte System ausgelegt werden. Laut Umfragen wollen um die 40 Prozent der Berechtigten an der Wahl teilnehmen.

Als Präsident würde Raisi nach Überzeugung von Experten den moderaten Kurs Rohanis nicht fortsetzen. Im Wahlkampf fokussierte er sich mehr auf Wirtschaftsthemen und versprach ein schnelles Ende der durch die US-Sanktionen verursachten Finanzkrise. Doch ohne Verhandlungen mit den USA über die Zukunft des inzwischen von beiden Seiten unterminierten Wiener Atomabkommens von 2015 wäre ein Ende der Sanktionen – und der schon fast drei Jahre währenden Wirtschaftskrise – nicht machbar. Genau dieses Abkommen hat Raisi in den vergangenen Jahren indes scharf kritisiert. Inzwischen klingt sein Standpunkt jedoch weniger radikal.